Reizende Gäste: Roman (German Edition)
bringe dich zum Bahnhof. Mußt mir nur Bescheid geben, wann.«
»Mach’ ich.« Sie öffnete die Augen. »Richard, dir macht das doch nichts aus, oder? Ich brauche nur etwas Zeit, um nachzudenken.«
»Das ist doch klar.« Richard versuchte, einen fröhlichen Ton anzuschlagen. »Ich verstehe das vollkommen. Du sollst deine Entscheidung nicht überstürzen.«
Er setzte sich auf seine Bettseite und betrachtete Fleur. Sie hatte ihre Arme über den Kopf auf das Kissen gelegt; anmutige Arme, wie die einer Ballerina. Die Augen waren ihr wieder zugefallen, um noch etwas vom süßen Morgenschlaf einzufangen. Es schoß ihm durch den Kopf, daß sie ihn ablehnen könnte. Bei diesem Gedanken empfand er einen stechenden Schmerz, dessen Ausmaß ihn fast erschreckte.
Unten bereitete Gillian eine Kanne Tee zu. Als Richard die Küche betrat, sah sie auf.
»Ich habe sie gehen sehen. Dieser junge Mann, Mex, saß am Steuer. Ich hoffe, er ist verantwortungsbewußt.«
»Bestimmt.« Richard setzte sich an den Küchentisch und machte eine umfassende Handbewegung.
»Es wirkt so schrecklich still im Haus«, meinte er. »Ich vermisse die dröhnende Musik bereits.« Gillian lächelte und stellte ihm einen Becher Tee hin.
»Was geschieht mit Philippa?« erkundigte sie sich. »Kommt sie heute aus dem Krankenhaus?«
»Ja«, sagte Richard. »Außer, in der Nacht ist etwas vorgefallen. Ich hole sie heute vormittag ab.«
»Wenn’s dir recht ist, komme ich mit«, sagte Gillian.
»Natürlich ist mir das recht«, entgegnete Richard. »Da wird sie sich bestimmt freuen.« Er trank einen Schluck Tee und sagte dann zögernd: »Da ist noch etwas, was ich dir sagen wollte. Fleur fährt für ein paar Tage nach London.«
»Ah ja«, meinte Gillian. Sie blickte in Richards angespanntes, blasses Gesicht. »Und du fährst nicht mit?« setzte sie leise hinzu.
»Nein«, erwiderte Richard. »Diesmal nicht. Fleur …« Er rieb sich das Gesicht. »Fleur braucht ein bißchen Zeit für sich allein. Um … um nachzudenken.«
»Ah, ja«, wiederholte Gillian.
»Am Samstag kommt sie zurück.«
»Na dann.« Gillian setzte ein fröhliches Gesicht auf. »Die Zeit ist ja im Nu um.« Richard lächelte matt und leerte seinen Becher. Gillian betrachtete ihn besorgt. »Was meinst du, hätte Fleur wohl gern einen Tee? Ich gehe sowieso nach oben.«
»Tee möchte sie nicht«, sagte Richard, der sich plötzlich erinnerte. »Aber sie fragte, ob ich ihr die Times bringen könnte.«
»Die Times. « Gillian blickte sich in der Küche um. »Ah, hier ist sie ja. Wenn du möchtest, bringe ich sie ihr hoch.« Sie nahm die druckfrische, zusammengefaltete Zeitung und musterte sie neugierig. »Normalerweise liest Fleur keine Zeitung«, sagte sie. »Ich frage mich, wofür sie sie möchte?«
»Keine Ahnung.« Richard schenkte sich noch eine Tasse Tee ein. »Ich habe sie nicht gefragt.«
Um zehn Uhr war Fleur reisefertig.
»Wir lassen dich am Bahnhof raus«, sagte Richard, der ihr den Koffer hinuntertrug, »und fahren dann zum Krankenhaus weiter.« Er machte eine Pause. »Philippa wird betrübt sein, daß du nicht mitkommst«, setzte er dann beiläufig hinzu.
»Ja, zu schade«, sagte Fleur. Sie erwiderte ruhig Richards Blick. »Aber ich fühle mich, glaube ich, wirklich nicht in der Lage …«
»Nein«, unterbrach Richard sie hastig. »Natürlich nicht. Ich hätte nichts sagen sollen.«
»Du bist ein lieber Mann«, sagte Fleur und streichelte Richards Arm. »Und ich hoffe sehr, daß Philippa alles gut übersteht.«
»Das wird sie schon«, sagte Gillian, die in die Diele kam. »Wir behalten sie ein bißchen hier; kümmern uns ordentlich um sie. Wenn du zurück bist, ist sie vermutlich wieder wohlauf.« Sie musterte Fleur. »Du siehst aber schick aus, so ganz in Schwarz.«
»Für London ist das eine enorm praktische Farbe«, murmelte Fleur. »Da sieht man den Schmutz nicht.«
»Wirst du bei deinem Freund Johnny wohnen?« fragte Gillian. »Könnten wir dich dort erreichen, falls irgend etwas mit Zara sein sollte?«
»Nein, wahrscheinlich nicht«, erwiderte Fleur. »Vermutlich steige ich in einem Hotel ab.« Sie runzelte leicht die Stirn. »Ich rufe euch an, wenn ich dort bin, und gebe euch eine Nummer durch.«
»Gut.« Richard schaute unsicher zu Gillian. »Nun, ich glaube, wir müssen los.«
Als sie zum Auto gingen, warf Fleur einen Blick zum Haus zurück.
»Ein einladendes Haus ist das«, sagte sie unvermittelt. »So freundlich.«
»Ja«, meinte Richard eifrig. »Sehr
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