Reizende Gäste: Roman (German Edition)
Philippa einander an.
»Vor Glück«, sagte Philippa schließlich.
»Nun, ja«, gab Lambert widerwillig zu. »Das muß es wohl sein.«
Philippa beugte sich zum Spiegel und begann, mit zittriger Hand Eyeliner auf ihre Augenlider aufzutragen.
»Wer ist sie?« fragte sie. »Wie heißt sie?«
»Fleur.«
»Fleur? Die vom Gedenkgottesdienst? Die mit dem reizenden Hut?«
»Himmel noch mal, Philippa! Glaubst du, ich habe ihn nach ihrem Hut gefragt? Und jetzt mach zu!« Ohne auf eine Antwort zu warten, verließ er den Raum.
Stumm betrachtete Philippa ihr Spiegelbild; ihre wässrigen blauen Augen, das fahle, mausgraue Haar und die leicht geröteten Wangen. Im Geiste fielen ihr unzählige Wortwechsel ein; Worte, die Lambert hätte sagen können, wenn er ein anderer Mensch gewesen wäre. Er hätte sagen können: »Ja Darling, ich schätze, das ist sie …«, oder: »Philippa, mein Schatz, bei dem Gedenkgottesdienst hatte ich nur Augen für dich …«, oder etwa: »Die mit dem reizenden Hut? Du hattest den reizendsten Hut von allen!« Dann hätte sie in selbstbewußtem, neckischem Ton, den sie im wirklichen Leben nie hinbekam, erwidert: »Ach komm, Schatz. Selbst du mußt diesen Hut bemerkt haben!« Darauf hätte er gesagt: »Ach, der Hut!« Und dann hätten sie beide gelacht. Und dann … dann hätte er sie auf die Stirn geküßt, und dann …
»Philippa!« Scharf ertönte Lamberts Stimme durch die Wohnung. »Philippa, bist du fertig?« Philippa zuckte zusammen.
»In fünf Minuten!« Sie hörte das Beben in ihrer Stimme und verachtete sich dafür.
»Na, dann beeile dich gefälligst!«
Hastig kramte Philippa in ihrer Schminktasche nach der richtigen Lippenstiftfarbe. Wäre Lambert jemand anders gewesen, dann hätte er vielleicht zurückgerufen: »Laß dir Zeit!« oder: »Es eilt nicht, Liebste.« Oder vielleicht wäre er zurück in den Raum gekommen, hätte sie angelächelt und ihr Haar verstrubbelt, und sie hätte gelacht und gesagt: »Du hältst mich auf!«, und darauf hätte er entgegnet: »Ich kann nichts dafür, wenn du so wunderbar bist!« Und dann hätte er ihre Fingerspitzen geküßt … und dann …
In der Ecke des Zimmers erklang das Surren eines auf lei-se gestellten Telefons. Versunken in ihrer Traumwelt, hörte Philippa es nicht einmal.
Im Arbeitszimmer nahm Lambert den Hörer ab.
»Lambert Chester.«
»Guten Morgen, Mr. Chester. Hier ist Erica Fortescue von der First Bank. Könnten wir uns einmal ungestört miteinander unterhalten?«
»Ich bin schon auf dem Sprung. Ist es wichtig?«
»Es geht um Ihre Kontoüberziehung, Mr. Chester.«
»Oh.« Vorsichtig äugte Lambert zur Tür des Arbeitszimmers – und trat sie dann zur Sicherheit zu. »Wo liegt das Problem?«
»Sie scheinen Ihren Kreditrahmen überschritten zu haben. Und zwar ganz beträchtlich.«
»Unsinn.« Lambert lehnte sich zurück, langte in seinen Mund und begann in den Zähnen herumzupolken.
»Augenblicklich ist Ihr Konto mit über dreihunderttausend Pfund im Minus. Dabei war der Dispositionskredit auf zweihundertfünfzig festgelegt.«
»Ich denke, Sie werden herausfinden«, sagte Lambert, »daß er letzten Monat wieder erhöht wurde. Auf dreihundertundfünfzigtausend.«
»Wurde das schriftlich bestätigt?«
»Das hat Larry Collins für mich in die Wege geleitet.«
»Larry Collins hat die Bank verlassen«, klärte Erica Fortescue ihn mit sanfter Stimme auf.
Mist, dachte Lambert. Larry ist gefeuert worden. Blöder Scheißkerl.
»Nun, er hat es schriftlich bestätigt, bevor er die Bank verlassen hat«, sagte er rasch. Es konnte nicht schwer sein, irgendeinen Brief zu fabrizieren.
»In den Akten ist nichts.«
»Tja, das wird er wohl vergessen haben.« Lambert hielt inne, und sein Gesicht verzog sich zu einem selbstgefälligen Hohnlächeln. »Vielleicht hat er vergessen, Ihnen zu erzählen, daß ich in zwei Jahren zu mehr Geld komme, als einer von Ihnen beiden je gesehen hat.« Da staunst du, was, du blöde, aufdringliche Schlampe.
»Das Treuhandvermögen Ihrer Frau? Ja, davon hat er mir erzählt. Wurde das bestätigt?«
»Natürlich. Es ist alles geregelt.«
»Ich verstehe.«
»Und Sie machen sich immer noch Sorgen wegen dieser lächerlichen Kontoüberziehung?«
»Ja, Mr. Chester, das tue ich. Im allgemeinen akzeptieren wir die Aktivposten der Ehefrau nicht als Sicherheit für persönliche Konten.« Lambert starrte wütend auf das Telefon. Für wen hielt sich diese Tussi eigentlich? »Ach, und noch etwas …«
»Was denn?«
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