Reizende Gäste: Roman (German Edition)
hinter einem geheuchelten Lächeln verborgen wurde. Er verspürte einen Schmerz in der Brust und holte tief Luft.
»Ich hab’ das Ding bloß angestarrt und gesagt: ›Aber wenn ich das trage, dann kann ich ja gar nichts sehen!‹ Und da hat sie gelacht und so getan, als hätte sie nur Spaß gemacht. Aber …« Er schluckte. »Ich habe gewußt, daß das nicht stimmt. Sogar damals war mir das klar. Sie wollte, daß ich das Auge bedecke, damit niemand mein Muttermal sieht.«
»O Gott. Was für ein Miststück!«
»Sie war kein Miststück!« Antonys Stimme schnappte über. »Sie war bloß …« Er biß sich auf die Lippen.
»Tja, weißt du was? Ich finde es sexy.« Zara rutschte noch näher an ihn heran. »Sehr sexy!« Es entstand eine winzige Pause. Sie erwiderte seinen Blick.
»Kriegst du … kriegst du vom Küssen auch Gebärmutterhalskrebs?« fragte Antony schließlich mit heiserer Stimme. Sein Herz hämmerte laut.
»Ich glaube nicht«, sagte Zara.
»Gut.«
Sachte legte Antony einen Arm um Zaras dünne Schultern und zog sie an sich. Ihre Lippen schmeckten nach Minze und Diätcola; ihre Zungen fanden sich sofort. Sie hat schon mal geknutscht, dachte er benommen. Schon haufenweise. Öfter als ich wahrscheinlich. Als sie sich voneinander lösten, sah er sie vorsichtig an, halb damit rechnend, daß sie ihn auslachen würde; halb erwartend, daß sie ihn mit irgendeiner spitzen, erfahrenen Bemerkung demütigen würde.
Doch zu seinem Erstaunen starrte sie in die Ferne, und eine Träne lief ihre Wange hinab. Entsetzt sah er sofort eine Szene der Beschuldigungen und des unnützen Leugnens vor sich.
»Zara, es tut mir leid!« keuchte er erschreckt. »Ich wollte dich nicht …«
»Keine Bange«, sagte sie leise. »Es ist nicht wegen dir. Das hat nichts mit dir zu tun.«
»Also hat’s dich nicht gestört …« Leicht außer Atem musterte er sie.
»Natürlich nicht«, sagte sie. »Ich wollte, daß du mich küßt. Das hast du doch gewußt.« Sie wischte sich die Träne fort, sah zu ihm auf und lächelte. »Und weißt du was? Jetzt möchte ich, daß du es noch einmal tust.«
Bei ihrer Heimkehr hatte Philippa rasende Kopfschmerzen. Nachdem Fleur mit einem Taxi zur Waterloo Station aufgebrochen war, hatte sie den Einkaufsbummel allein fortgesetzt und war auch in die billigeren Läden gegangen, die Fleur ignoriert hatte, die sie aber insgeheim vorzog. Nun saßen ihre Schuhe zu eng, ihr Haar hatte die Fasson verloren, und sie fühlte sich von den Londoner Straßen klebrig und schmutzig. Doch als sie das Haus betrat, vernahm sie im Arbeitszimmer eine fremde Stimme, und ihr Herz schlug schneller. Vielleicht hatte Lambert Gäste eingeladen. Vielleicht würden sie eine improvisierte Party veranstalten. Wie gut, daß sie ihr rosa Kostüm trug. Die Gäste würden denken, sie wäre jeden Tag so angezogen. Sie eilte die Diele entlang, musterte sich im Spiegel, setzte eine kultivierte und dennoch herzliche Miene auf und riß die Tür zum Arbeitszimmer auf.
Doch Lambert war allein. Er saß zusammengesackt im Sessel am Kamin und lauschte einer Nachricht des Anrufbeantworters. Eine Frauenstimme, die Philippa unbekannt war, sagte: »Es ist absolut unumgänglich, daß wir uns zur Besprechung der Situation unverzüglich zusammensetzen.«
»Welcher Situation?« erkundigte sich Philippa.
»Nichts«, schnauzte Lambert. Philippa sah auf das rote Licht des Anrufbeantworters.
»Ist sie gerade dran? Warum nimmst du nicht einfach ab und sprichst mit ihr?«
»Warum hältst du nicht einfach den Mund?« knurrte Lambert.
Philippa musterte ihn gekränkt. Im Laufe des Nachmittags war ihr der Gedanke gekommen, daß ihre Ehe ja vielleicht doch nicht der Scherbenhaufen war, als den sie sie geschildert hatte; daß es vielleicht doch noch Hoffnung gab. Ihr Beschluß, Lambert zu verlassen, war dahingeschmolzen, und nur eine vertraute, leichte Enttäuschung war zurückgeblieben, daß sich das Leben nicht ganz so entwickelt hatte, wie sie es sich erträumt hatte.
Doch nun spürte sie mit einem Mal, wie sich ihr Entschluß wieder festigte. Sie holte tief Luft und ballte die Hände zur Faust.
»Immer bist du so verdammt grob zu mir!« rief sie.
»Was?« Lambert drehte langsam den Kopf, bis er sie mit offenbar echter Verwunderung ansah.
»Ich habe die Nase voll davon!« Philippa trat in den Raum, merkte plötzlich, daß sie noch immer zwei Einkaufstüten in der Hand hielt, und stellte sie ab. »Ich habe es satt, wie du mich behandelst. Wie eine
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