Reizende Gäste: Roman (German Edition)
ihr ganzer Körper entspannte und ihr Kopf frei wurde.
Ein Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren.
»Ich bin’s!« hörte sie Richards Stimme. »Ich habe dir ein Glas Wein heraufgebracht.«
»Danke, Schatz!« rief Fleur zurück. »Ich hol’s mir gleich.«
»Und Philippa ist am Telefon. Sie möchte mit dir sprechen.« Fleur verdrehte die Augen. Für diesen Tag hatte sie genug von Philippa.
»Sag ihr, daß ich sie zurückrufe.«
»Recht hast du. Ich stelle das Glas hierhin«, ertönte wieder Richards Stimme. »Gleich vor die Tür.«
Sie stellte sich vor, wie er sich bückte und das Glas vorsichtig vor die Badezimmertür auf den Teppich stellte, es ansah und überlegte, ob sie es nicht versehentlich umkippen könnte, sich dann wieder bückte und es ein paar Zentimeter weiter nach hinten rückte, bevor er auf Zehenspitzen davonging. Ein umsichtiger, vernünftiger Mann. Würde er sie all sein Geld ausgeben lassen? Wahrscheinlich nicht. Und dann hätte sie ihn umsonst geheiratet.
Philippa legte den Hörer auf und biß sich auf die Lippen. Eine frische Tränenflut strömte ihr über das rote, verweinte Gesicht; es kam ihr vor, als wühlte der Schmerz in ihren Eingeweiden. Es gab niemanden sonst, den sie anrufen konnte. Niemanden sonst, dem sie sich anvertrauen konnte. Sie mußte mit Fleur sprechen, aber ausgerechnet die lag in der Badewanne.
»O Gott«, sagte sie laut. »O Gott, hilf mir!«
Weinend sank sie vom Sofa auf den Boden, umschlang ihren Bauch und schaukelte vor und zurück. Ihr rosa Kostüm war zerknittert und tränennaß, aber ihr Aussehen kümmerte sie nicht. Es sah sie ja niemand. Und hören tat sie auch niemand.
Eine halbe Stunde zuvor hatte Lambert die Tür zugeschlagen und sie zutiefst gedemütigt zurückgelassen. Eine Weile hatte sie auf dem Sofa gekauert, nicht imstande, sich zu rühren, ohne daß sie Magenschmerzen durchzuckten und ihr Tränen in die Augen sprangen. Dann, als sie allmählich wieder freier atmen konnte, schaffte sie es irgendwie, ans Telefon zu gelangen, die Nummer von »The Maples« zu wählen und mit halbwegs normaler Stimme nach Fleur zu fragen. Fleur, dachte sie verzweifelt. Fleur. Wenn ich doch nur mit Fleur sprechen könnte.
Aber Fleur war in der Badewanne und konnte nicht mit ihr sprechen. Nachdem sie sich von ihrem Vater verabschiedet hatte, begannen ihre Tränen wieder zu fließen, und sie sank auf den Boden und fragte sich, warum ein Tag, der so vollkommen begonnen hatte, mit einem solchen Desaster enden mußte.
Er hatte sie ausgelacht. Ein fieses, spöttisches Lachen, das sie dazu brachte, die Schultern zu straffen, ihm in die Augen zu blicken und in einem noch penetranteren Ton als zuvor zu sagen: »Ich verlasse dich!« Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln, und sie begriff, daß sie das schon vor Ewigkeiten hätte tun sollen. »Ich werde wohl zu meinem Vater ziehen«, setzte sie in geschäftsmäßigem Ton hinzu. »Bis ich meine eigene Wohnung habe.« Lambert hatte aufgesehen und mit äußerster Liebenswürdigkeit gesagt:
»Philippa, halt die Klappe, ja?«
»Lambert, verstehst du denn nicht? Ich werde dich verlassen!«
»Wirst du nicht.«
»O doch.«
»Nein, verdammt noch mal.«
»Aber wohl! Du liebst mich nicht, wozu sollten wir unsere Beziehung länger aufrechterhalten?«
»Weil wir verheiratet sind, verdammt noch mal! Verstanden?«
»Na, aber vielleicht will ich ja gar nicht mehr verheiratet sein, verdammt noch mal!« hatte sie geschrien.
»Tja, aber ich vielleicht!«
Und Lambert stand auf, ging zu ihr und packte sie am Handgelenk. »Du verläßt mich nicht, Philippa«, sagte er mit einer Stimme, die ihr fremd war; einer Stimme, die ihr Angst einjagte. Er war puterrot und bebte; er wirkte wie besessen. »Verflucht, du verläßt mich nicht, kapiert?«
Und da hatte sie sich geschmeichelt gefühlt. Sie hatte sein verzweifeltes Gesicht betrachtet und gedacht, das ist Liebe. Er liebt mich wirklich. Sie war drauf und dran gewesen, nachzugeben, sein Kinn zu streicheln und ihn mit einem Kosenamen anzureden. Als er auf sie zugekommen war, hatte sie gelächelt und sich auf eine leidenschaftliche Versöhnung gefaßt gemacht. Doch plötzlich hatte er mit beiden Händen grob ihren Hals umklammert.
»Du verläßt mich nicht!« hatte er gezischt. »Du wirst mich nie verlassen!« Und seine Hände hatten sich immer enger um ihren Hals geschlossen, bis sie kaum noch hatte atmen können, bis sie gespürt hatte, daß sie sich gleich würde erbrechen
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