Reizende Gäste: Roman (German Edition)
aufgeben«, belehrte sie ihn sanft. »Wenn es etwas ist, wonach du dein ganzes Leben lang getrachtet hast.«
»Warum eigentlich nicht? Die Frage ist, warum ich danach gestrebt habe«, sagte Richard. »Und was geschieht, wenn ich das, was es mir zu bieten hat, nicht mehr sonderlich schätze?« Er zuckte die Achseln. »Was, wenn ich es vorziehe, meine Zeit mit dir zu verbringen, anstatt mit irgendeinem Langweiler aus einem benachbarten Golfclub auf dem Golfplatz herumzulaufen?«
»Richard, du kannst doch nicht einfach aussteigen!« rief Fleur. »Du kannst dich jetzt nicht einfach mit einem … netten, ruhigen Leben zufriedengeben! Du hast immer Spielführer von Greyworth werden wollen, und nun hast du die Chance dazu! Man sollte die Gelegenheiten ergreifen, die sich einem im Leben bieten. Selbst wenn das bedeutet …« Atemlos verstummte sie.
»Selbst wenn das bedeutet, daß man unglücklich ist?« Richard lachte.
»Unter Umständen ja! Lieber, man ergreift die Gelegenheit und ist unglücklich, als daß man sie vorbeigehen läßt und es ewig bereut.«
»Fleur.« Er nahm ihre beiden Hände und küßte sie. »Du bist außergewöhnlich; absolut außergewöhnlich! Ich kann mir keine Ehefrau vorstellen, die einen mehr ermutigen und unterstützen würde …«
Es entstand eine bedeutungsvolle Stille.
»Bis darauf, daß ich nicht deine Frau bin«, brach Fleur gelassen das Schweigen. Richard senkte den Blick. Er holte tief Luft und sah dann wieder auf, direkt in ihre Augen.
»Fleur«, begann er.
»Richard, ich muß mich duschen gehen«, unterbrach ihn Fleur, ehe er fortfahren konnte. »Ich habe noch den ganzen Dreck Londons an mir.« Sie machte sich aus seinem Griff frei und steuerte rasch auf die Treppe zu.
»Natürlich«, nickte Richard sofort. Dann lächelte er zu ihr hoch. »Du mußt erschöpft sein. Und ich habe mich noch nicht einmal erkundigt, wie der Gedenkgottesdienst war.«
»Ich bin schließlich doch nicht hingegangen«, erklärte Fleur. »Ich war zu sehr damit beschäftigt, mich mit Philippa zu amüsieren.«
»Oh, gut! Ich freue mich, daß ihr euch näherkommt.«
»Und danke für den Champagner!« fügte Fleur auf halber Höhe der Treppe hinzu. »Das war vielleicht eine Überraschung!«
»Ja«, sagte Richard. »Das hatte ich gehofft.«
Fleur begab sich direkt ins Badezimmer, drehte die Hähne auf und verriegelte die Tür. In ihrem Kopf schwirrte es; sie mußte dringend nachdenken. Seufzend setzte sie sich auf den Badezimmerstuhl – eine häßliche gepolsterte Angelegenheit – und starrte sich im Spiegel an.
Was war ihr eigenes Ziel im Leben? Die Antwort kam auf der Stelle, ohne daß sie überhaupt nachdenken mußte. Ihr Bestreben war es, an eine Menge Geld zu kommen. Was war eine Menge Geld? Zehn Millionen Pfund waren eine Menge Geld. Wenn sie Richard heiratete, würde sie im Besitz einer Menge Geldes sein.
»Aber nicht zu meinen Bedingungen«, maßregelte Fleur laut ihr Spiegelbild. Seufzend schlüpfte sie aus ihren Schuhen. Trotz des weichen, teuren Leders ihrer Schuhe, trotz der vielen Taxis taten ihr von den Londoner Straßen die Füße weh.
Konnte sie es ertragen, Richards Frau zu werden? Mrs. Richard Favour, aus Greyworth. Fleur erschauderte leicht; allein schon der Gedanke schnürte ihr die Luft ab. Männer veränderten sich nach der Hochzeit. Richard würde ihr Hosen mit Schottenmuster kaufen und von ihr erwarten, daß sie mit dem Golfspielen begänne. Er würde ihr ein monatliches Taschengeld geben. Er wäre jeden Morgen da, wenn sie erwachte, und würde sie mit diesem erwartungsvollen, unschuldigen Lächeln begrüßen. Wenn sie eine Auslandsreise planen würde, dann käme er mit.
Doch zugleich … Fleur biß sich auf die Lippen. Zugleich besaß er eine Menge Geld. Es war eine Gelegenheit, die sich ihr vielleicht nicht wieder bot. Sie zerrte sich die Jacke herunter und warf sie über den Handtuchhalter. Der Anblick der schwarzen Seide erinnerte sie plötzlich an den Gedenkgottesdienst, den sie diesen Nachmittag verpaßt hatte. Eine Chance vertan. Wer hätte bei diesem Gottesdienst anwesend sein können? Welche glückverheißende Begegnung hätte stattfinden können, wenn sie hingegangen wäre?
»Entscheide dich!« befahl Fleur ihrem Spiegelbild, trat aus ihrem Rock und öffnete ihren BH. »Entweder du nimmst, was dir geboten wird, oder du gehst!«
Sie zog die Strümpfe aus, tappte zur Badewanne und stieg hinein. Als sie in das heiße, schaumige Wasser eintauchte, spürte sie, wie sich
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