Remember
und mich erschreckt. Das war nur die halbe Wahrheit. Ich sah Rebecca. Sie trieb unter uns hinweg.«
Michael stand auf und lehnte sich an den Kamin.
»Tut mir leid, Michael. Ich hätte dir das nicht erzählen sollen.«
»Doch, doch, es war richtig. – Mir wird nur gerade klar, dass du meinetwegen fast ertrunken wärst.«
»So ein Unsinn! Es war ein Unfall!« Annabel sah ihm fest in die Augen. »Du hast mich gerettet, Michael. Das ist es, was du getan hast.«
»Fühlt sich aber nicht so an.« Michael ging an eines der Fenster und sah gedankenverloren auf den weiß verschneiten Park. »Hör mal, Anna, ich…«
»Fang gar nicht erst damit an. Ich weiß, was du sagen willst. Und die Antwort lautet: Nein. Ich lass dich hier nicht zurück. Ich pfeif auf die Erlösung.«
»Ach, Anna. Stell dir vor, es ist Erlösung und keiner geht hin.«
Annabel musste lächeln.
»Du hast mich noch gar nicht gefragt, wo es passieren wird.«
»Wozu auch. Ich geh ja sowieso nicht.«
»Ich habe ein Weilchen gebraucht, bis ich es kapiert habe, aber es wird genau hier passieren, in diesem Raum. Wo Licht und Farben zu Geschichten werden.« Michael strich mit der Hand über das bunte Glas eines der Fenster.
Annabel schwieg. Dann stellte sie sich neben ihn und nahm seine Hand.
»George hat gesagt, das Leben ist eigentlich niemals so, wie man es sich vorstellt oder wünscht. Und er sagte, dass es mit dem Tod genauso sei.«
»Auch wenn es von einem Psychopathen wie George kommt – damit hat er wohl recht.«
»Ich weiß nicht, ob ich früher schon mal so richtig über den Tod nachgedacht habe. Ich glaube nicht.« Ich will noch nicht sterben.
»Und du solltest jetzt nicht damit anfangen.«
47
Es hatte wieder begonnen zu schneien. Annabel stand am Fenster und sah zu, wie dicke weiße Flocken zur Erde schwebten und sich die Konturen des Parks verwischten.
Michael versuchte sein Glück mit dem Radio. Er stellte es auf den Kaminsims, bewegte die Antenne hin und her und hatte wider Erwarten Erfolg. Das Knistern und Rauschen verschwand und sie hörten die neuesten Meldungen über die bevorstehende Rückkehr der Astronauten.
Annabel verließ ihren Platz am Fenster und ging langsam durch den Raum. Sie lauschte den aufgeregten Worten des Radiosprechers, der nicht müde wurde zu betonen, was für ein großer Moment dies sei und dass die Besatzung von Apollo 11 am späten Nachmittag irgendwo im Pazifischen Ozean landen würde.
Sie haben es geschafft, dachte Annabel. Sie kommen nach Hause. Nach Hause. Und sie fing an zu weinen.
Michael wollte zu ihr gehen, doch kaum hatte er sich ein paar Schritte vom Kamin entfernt, fing das Radio wieder an zu spinnen. Wütend schlug er mit der flachen Hand auf den Apparat. Als Folge davon verschwanden nicht nur die Störgeräusche. Es hatte sich auch ein neuer Sender eingestellt, der in den reinsten und klarsten Tönen die letzten Takte eines alten Jazzklassikers zum Besten gab.
Michael nahm eine Decke vom Bett und ging zu Annabel. Sie stand mitten im Raum und schluchzte. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und schaute ihn an. Er legte ihr die Decke um die Schultern und drückte sie fest an sich.
Der Song im Radio war vorbei und eine dunkle, sanfte Männerstimme kündete den nächsten Titel an: »Hallo, hier ist Smooth Larry und ihr hört WCCK, den Radiosender mit dem ganz besonderen Groove. An alle verliebten Paare da draußen und die einsamen Herzen, die noch auf der Suche sind, den nächsten Song spiele ich nur für euch. Er ist ein Geschenk für alle, die sich keinen brennenden Benzintank an den Hintern schnallen und ins All schießen lassen. Ein Geschenk für alle, die lieber auf der Erde bleiben und die ganz genau wissen, dass es groovigere Methoden gibt, zu den Sternen zu fliegen. Ein Geschenk für alle, die wissen, dass Musik und Liebe die Treibstoffe sind, die dich überall hinbringen können. – Hier ist Someone to watch over me von den genialen Brüdern George und Ira Gershwin und gesungen wird er von der wunderbaren Ella Fitzgerald. Groove on, Ella!«
There’s a saying old, says that love is blind
Still we’re often told, seek an ye shall find
So ’m going to seek a certain lad I’ve had in mind
»Also, das ist jetzt schon ein bisschen kitschig.«
»Du hast echt nicht den geringsten Sinn für Romantik, Michael.«
Michael drückte sie ein bisschen fester und lachte. Sein Brustkorb hüpfte auf und ab und mit ihm Annabels Kopf.
»Hör sofort auf damit, sonst wird mir noch
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