Remember
ab. Es machte einen gewaltigen Krach.
Michael stand auf und packte mit an. Er ahnte, was sie vorhatte.
Annabel beugte sich über den Ofen, eine Sekunde später entwich ihr ein entsetzter Laut.
»Was ist los?«, fragte Michael.
Als sie sich zu ihm umdrehte, die Augen weit aufgerissen, hielt sie ein loses Kabelende in ihrer Hand.
»Wie ist das möglich?«, fragte sie und warf das Kabel plötzlich von sich, als hätte es sich in eine giftige Schlange verwandelt.
Michael verrückte den Ofen noch ein weiteres Stück und beugte sich vor. Er musste es mit eigenen Augen sehen. Und tatsächlich, bis auf ein paar alte Spinnweben war die Wand dahinter vollkommen nackt. Kein Telefonanschluss weit und breit.
Eric ließ sich auf einen Stuhl fallen, umklammerte seine Knie und murmelte vor sich hin: »Das Scheißding war gar nicht angeschlossen. Das Scheißding…«
Und auch George starrte fassungslos auf das am Boden liegende Kabelende.
Plötzlich ging ein Ruck durch Michael. Er packte das Telefon und stürmte damit aus der Küche. Er riss die Haustür auf und rannte hinaus in die Nacht bis zum Ende des Stegs. Dort warf er das Telefon, so weit er konnte, hörte, wie es auf die silbrig schwarze Wasseroberfläche traf, und hoffte, es würde für alle Zeiten auf dem Grund des Sees verrotten. Dann drehte er sich um und betrachtete das Haus. Das Licht einer kleinen Laterne, die auf der Veranda brannte, hüllte die Front in ein warmes Licht. Alles sah so friedlich und normal aus. Fast unwirklich erschien ihm der Anblick.
Michael spürte, wie die Wut in ihm tobte. So wie damals, als Rebecca gestorben war. Und er wünschte, er hätte es mit Gegnern zu tun, die aus Fleisch und Blut waren. Jemand Greifbarem, dem er hinterherlaufen und die Seele aus dem Leib prügeln konnte, weil er es verdammt noch mal verdient hatte, für das, was er seinen Freunden und ihm antat.
Michaels Brustkasten hob und senkte sich unter seinem Shirt. Seine Hände zitterten. Durch die hell erleuchteten Fenster sah er, wie Annabel mit Eric und George ins Wohnzimmer ging. Annabel. Allein schon ihren Namen zu denken, machte Michael ein wenig ruhiger. Er dachte daran, wie er mit ihr am See gesessen und ihre Hand genommen hatte. Und wie leicht es ihm mit ihr an seiner Seite gefallen war, anschließend Eric und George von Rebecca zu erzählen.
Er versuchte es mit einem Flüstern: »Annabel.« So wie Rebeccas Name konnte auch der Klang ihres Namens sein Denken und Fühlen beeinflussen. Und es war ein guter Einfluss. Weg von Wut und Hass hin zu etwas Neuem und Schönem.
Er atmete noch einmal tief durch, dann ging er zurück ins Haus.
»Vielleicht war es gar kein Telefon, sondern so eine Art Walkie-Talkie«, sagte George. Er saß in einem der Sessel im Wohnzimmer, die anderen gegenüber auf dem Sofa. »Es sollte nur aussehen wie ein Telefon. Und das Kabel könnte die Antenne gewesen sein.«
»Genau! Es muss ein Walkie-Talkie gewesen sein.« Eric schien sich verzweifelt an die Möglichkeit einer rationalen Erklärung zu klammern.
»Dummerweise werden wir es nie erfahren«, sagte George und warf Michael einen finsteren Blick zu. »Wir hatten leider keine Gelegenheit, es näher zu untersuchen. Weil gewisse Leute ja meinen, so was ganz allein entscheiden zu können.«
Eric verdrehte die Augen. »Mann, George, was soll das? Gewisse Leute, du spinnst doch! – Hey, ich jedenfalls bin froh, dass Michael das Ding im See versenkt hat.«
»Ganz egal, was es war. Irgendjemand war hier im Haus und hat das Ding in der Küche deponiert. Ohne dass wir es gemerkt haben.« Annabel versuchte, in Georges Gesicht zu lesen. Aber er verstand es einfach zu gut, seine Gefühle zu verbergen. Eins aber fiel ihr auf: Wenn sie ihn in den letzten Tagen angesehen und sich ihre Blicke getroffen hatten, war er ihr mit einer gewissen Verlegenheit ausgewichen und hatte in eine andere Richtung geschaut. Nun aber schien er kein Problem mehr damit zu haben. Er hielt ihrem Blick stand. Und der sonst so typische emotionslose Ausdruck wurde vom Anflug eines Lächelns abgelöst.
»Wir könnten die ganze Nacht hier sitzen und uns die Köpfe zerbrechen und würden uns doch nur wieder im Kreis bewegen«, sagte Michael und strahlte wieder seine alte Ruhe aus. »Und ich hab langsam das Gefühl, dass genau das ein Teil ihres Plans ist.« Er schob eine kleine Tonvase auf dem Kaminsims hin und her. »Sie wollen uns Angst einjagen, uns verunsichern und uns damit schwächen.«
»Hat bei mir bisher ganz gut
Weitere Kostenlose Bücher