Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
Vom Netzwerk:
versucht, die Ereignisse so gut es ging zu sortieren, aber das war schwer. Aus irgendeinem Grund waren die Amerikaner dem Neuen Morgen auf der Spur, und Luc kam nicht um den Gedanken herum, dass genau das den Unwillen der Polizei erklärte, in Sachen Weinstaub zu ermitteln. Darum hatte Luc es für das Klügste gehalten, Cannes zu verlassen und abzuwarten, bis die Lage übersichtlicher geworden war. Er warf die Münzen in den Trichter und machte sich nicht die Mühe, das Wechselgeld aus dem Automaten zu nehmen. Die Schranke ging auf, und Luc beschleunigte nach der Mautstelle auf dem weiten Areal, das sich nun wieder zur Autobahn verschmälerte. Er machte sich Sorgen um Sara.
    Schwarze Landschaft huschte vorüber. An Christians Oberarm schmerzte der Hundebiss. Vojislav fuhr zügig die Serpentinen hinauf, in jeder Kurve wanderte seine glimmende Zigarette von einem Mundwinkel zum anderen.
    Die schwachen Lichtkegel des Autos wischten abwechselnd über die Felswand, den mit Bäumen bestandenen Hang und die Straßenbegrenzung aus Stein, hinter der sich der Abgrund in den sicheren Tod auftat. Auf einem schmalen, stufenartigen Absatz stand ein radloses, verrostetes Autowrack. Das reichliche Aufkommen solcher Wracks war einer der charakteristischen Züge der montenegrinischen Landschaft. Vojislav schien jede Kurve und jede kleine Erhebung des Landstrichs zu kennen, der schon dem Namen nach ein einziger schwarzer Berg war - Montenegro.
    Auf dem Beifahrersitz zeichnete Franjo im gelblichen Schein der Innenbeleuchtung einen Grundriss von Bukovica auf die Rückseite der Landkarte. Der abgekaute, mit dem Messer gespitzte Bleistiftstummel fuhr in Franjos schmutzigen Fingern zielstrebig übers Papier.
    Schließlich stoppten sie in einer Haltebucht, zu der sich die Straße an einer Serpentine verbreiterte. Dort wartete ein alter Lada-Kombi ohne Licht. Fünf Männer stiegen aus dem Wagen.
    »Plav, Nikola, Dusan, Sasa und Mato«, stellte Franjo sie Christian vor. Mit ihren Zigaretten im Mundwinkel erweckten die unrasierten Männer nicht auf Anhieb Christians ungeteiltes Vertrauen. Einer trug eine abgewetzte Steppweste und Tarnhosen, die anderen trugen normale Zivilkleidung. Andererseits machten diese harten Männer, die den Krieg überlebt hatten, einen unkomplizierten Eindruck, und etwas an ihnen verriet den stolzen Kämpfer - in der Nachfolge ihrer Vorfahren, die über Jahrhunderte hinweg gegen Feinde aus allen Himmelsrichtungen angekämpft hatten.
    Franjo setzte ihnen auf Serbokroatisch den Plan auseinander. Nach kurzer Beratung öffnete ein kleiner Mann mit tätowiertem Handrücken die Heckklappe des Ladas und lud diverse Gegenstände aus. Christian wunderte sich über die hohe Qualität der Ausrüstung. Sie war absolut modern.
    »Plav ist Leutnant«, sagte Franjo leise. »Im April 1999 schoss er in Bofors über Podgorica einen Mirage-Bomber ab. Die Maschine zerschellte auf dem Gipfel des Rumjie. Die Propagandamaschinerie der Nato hat das verschwiegen.« Franjo nickte in Richtung Vojislav. »Er war wegen seiner Dolmetscherausbildung in Sondereinheiten aktiv.«
    Eine halbe Stunde später brachen sie nach Bukovica auf, wobei sie zwischen dem Lada und dem Croma einige Minuten Abstand hielten. Die Straße führte weiter in Serpentinen den Berg hinauf. Der Regen ließ nach, hinter den windgepeitschten Bäumen glitzerte die Adria im Mondlicht.
    »Wenn wir versagen, werden uns die Amerikaner alle umbringen«, sagte Christian, nachdem sie den Plan noch einmal durchgesprochen hatten.
    »Wir kennen die Risiken. Wir haben unsere Entscheidung getroffen«, antwortete Franjo aus der Dunkelheit heraus. »Die Amerikaner sind das neue Herrenvolk, ihre Zwangsvorstellung ist die Unsterblichkeit. Sie töten Menschen aus der Luft mit Marschflugkörpern und Bombern, damit keiner ihrer eigenen Soldaten ums Leben kommt. Jetzt werden wir uns mit ihnen auf dem Erdboden unterhalten. Und zwar persönlich.«
    Das Auto hielt am Straßenrand, und Christian stieg aus.
    Er sog die Luft ein wie ein Sportler, der sich auf seinen Einsatz vorbereitete, und machte sich dann auf den Weg, den trockenen, von stachligen Sträuchern bewachsenen Hang hinauf. Er dachte an nichts, ging einfach immer weiter. Nach zwanzig Metern erreichte er eine Straße, die ebenfalls in Serpentinen anstieg, um die Höhenunterschiede auszugleichen.
    Dieser Straße folgte Christian bis zu dem schmalen Vorplatz der Küstenfestung Bukovica. Wie ein riesiger, eckiger Klotz ragte das Gebäude vor dem

Weitere Kostenlose Bücher