Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug
Zahnbürsten vor. Das Bild schnürte ihr die Kehle zu. Was hatte sie hier verloren? Sie wollte weg.
Wieder im Schlafzimmer hörte sie ein Geräusch an der Wohnungstür. Die Concierge? Nein, die hatte gesagt, sie wolle auf den Markt gehen. Und sie hatte keinen weiteren Besucher erwähnt. Das Schloss rasselte sonderbar. Es wurde nicht normal geöffnet. Versuchte jemand mit dem Dietrich in die Wohnung der Toten einzudringen? Intuitiv sah sich Sara nach einem Versteck um. Gerade als die Wohnungstür aufging, schlüpfte sie auf den Balkon hinaus, schloss vorsichtig die Tür hinter sich und duckte sich unter das Fenster.
Durch den untersten Schlitz im Rollladen spähte sie ins Wohnzimmer. Sie sah schwarze, gut gepflegte Herrenhalbschuhe und graue Anzughosen. Zwei Männer, deren Verhalten verriet, dass sie ohne Erlaubnis eingedrungen waren. Saras Herz hämmerte immer heftiger. Würden sie auch auf dem Balkon nachsehen? Sie versuchte genauer zu erkennen, was in der Wohnung vor sich ging, aber ihr Blickfeld war eingeschränkt. Einer der Männer schob etwas in eine schwarze Aktentasche. Dann drehten sich die Füße in Richtung Balkon. Der Mann blieb eine Weile auf der Stelle stehen. Sara hielt den Atem an.
Langsam näherte sich der Mann dem Balkon. Die Füße machten am Fenster Halt, unmittelbar vor Sara. Der Mann sah sich die Gegenstände auf der Fensterbank an. Nach einigen Sekunden, die Sara wie eine Ewigkeit vorkamen, verschwanden die Füße. Die Besucher verließen die Wohnung so schnell und unbemerkt, wie sie gekommen waren. Sie hatten gewusst, was sie suchten. Sara richtete sich auf und spähte über den Rand des Balkons. Am Hang auf der anderen Straßenseite stand zwischen gewöhnlichen Renaults und Peugeots ein dunkler Geländewagen. Sara war sicher, die Männer würden gleich dort einsteigen. Wer waren sie? Und was hatten sie gesucht?
Sara verließ den Balkon, rannte aus der Wohnung und mit lautlosen Schritten die Treppe hinunter. In der Eingangshalle sah sie durch die Glastüren hindurch, wie die Männer hinter einem Rhododendron zur Straße gingen. Sara trat aus dem Haus und zwang sich, gemächlich zu gehen. Erst jetzt sah sie von den Männern mehr als nur die Schuhe und die Hosenbeine. Beide waren breitschultrig, vierzig bis fünfzig Jahre alt und ordentlich gekleidet. Einer trug eine Sonnenbrille. Sara ging auf dem von üppig grünen Büschen gesäumten Schieferweg zur Straße. Sie sah die Männer tatsächlich auf den Jeep Cherokee zugehen und prägte sich das Nummernschild ein.
Sie erreichte ihren näher am Haus geparkten, kleinen grünen Citroen und machte die Tür in dem Moment auf, in dem die Männer in den Geländewagen stiegen. Sie setzte sich ans Steuer, rückte ihre Sonnenbrille zurecht und biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte das Kinderkriegen aus allen möglichen Gründen immer wieder aufgeschoben, aber Tina war schon vor der Hochzeit schwanger gewesen. Wie würde Christian die Nachricht von der Schwangerschaft aufnehmen?
Der Geländewagen fuhr an ihr vorbei, und Sara ließ den Motor an. Vor Aufregung legte sie den Rückwärtsgang zu hastig ein, und es knirschte im Getriebe. Sie manövrierte den Wagen aus der engen Parklücke und sauste dem Geländewagen hinterher den Hügel hinunter. Zum Glück mussten die Männer am Boulevard du Riou vor der roten Ampel anhalten. Bei dem regen Morgenverkehr im Straßengewirr von Cannes war es nicht einfach, einem schnell fahrenden Auto zu folgen, aber Sara ließ die seltsamen Besucher nicht aus den Augen. An der verstopften Kreuzung von Boulevard Carnot und Boulevard du Ferrage musste sie über Rot fahren und sich das Gehupe der von rechts kommenden Autos anhören.
Vor der Boulangerie Juillet bog der Geländewagen in die Rue Henri Paschke ein, eine enge Einbahnstraße auf dem Hügel St. Pierre. Sara setzte den Blinker und bog ebenfalls ab, musste aber sogleich anhalten, weil sie nicht weit vor sich den Geländewagen mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf der Straße stehen sah. Etwas Außergewöhnliches ging dort vor. Auf dem Bürgersteig parkten mehrere Autos, um die Männer mit ernsten Gesichtern hastig herumliefen.
Sara fuhr langsam weiter, denn um diese Zeit am Vormittag bestand nicht die geringste Hoffnung auf einen Parkplatz. Das Duo aus dem Geländewagen stieg in einen Lieferwagen um, auf dessen Dach eine außergewöhnlich lange Antenne installiert war. Ein älterer Herr mit zwei Pudeln an der Leine und ein übergewichtiger Jogger in Shorts waren
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