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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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ging.
    Sara Lindroos hatte Pierre angerufen und den Tauchlehrgang für diesen Tag abgesagt. Mit zielstrebigen Schritten betrat sie den mit Schiefer gepflasterten Gang, der zur Eingangstür eines mehrstöckigen Hauses führte. Ihr Finger berührte kurz den Klingelknopf neben dem Schild »CONCIERGE«.
    Ein weckerartiges Schellen ertönte, und Sara trat intuitiv zwei Schritte zurück. Sie spiegelte sich in der mit Messing eingefassten dicken Glasscheibe der Haustür. Durch die unregelmäßige Oberfläche wurden die Gesichtszüge verzerrt. Hinter der Scheibe bewegte sich etwas, dann ging die Tür auf.
    Sara nannte ihren Namen und erklärte: »Monsieur Brück hat Sie angerufen und meinen Besuch angekündigt ...«
    »Ah, oui«, sagte die blondierte Concierge mit einer Zigarette zwischen den Lippen heiser und kehrte in ihre Wohnung zurück, um die Schlüssel zu holen. »Ich kann mich sehr gut an Monsieur Brück erinnern ...«
    Sie sprach den Namen mit einem weichen Schnurren aus.
    Sara setzte die Sonnenbrille ab, damit ihre Augen sich an das Dämmerlicht im Treppenhaus gewöhnten. Die Concierge warf ihr einen abschätzigen Blick zu, lächelte unmerklich und bedeutete Sara, ihr zu folgen. Auf der schmalen Marmortreppe klapperten die Absätze. Im ersten Stock nahm die Concierge die Zigarette aus dem Mund, hustete und lächelte Sara freundlich an.
    »Hier hat Tina Carabella gewohnt.«
    Sara starrte auf die polierte Holztür. »Es sind bis jetzt keine Toten gefunden worden. Es kann noch Überlebende geben.«
    »Ja, in der Tat... Excusez-moi.«
    Die Concierge klimperte mit dem Schlüsselbund und machte ohne ein weiteres Wort die Tür auf. Muffige Luft strömte den Frauen entgegen. Sara betrat die Diele. »Ich gehe jetzt auf den Markt. Sie finden doch hinaus?«
    Sara nickte und überlegte, ob sie der Concierge Geld geben sollte. Nein, nicht in so einer Situation. Als die Tür zuging, überkam Sara ein unangenehmes Gefühl der Unsicherheit. Christians Schmerz berührte sie zutiefst, aber dennoch kam sie sich vor wie ein Eindringling. Hier wohnte die - aller Wahrscheinlichkeit nach ums Leben gekommene - Verlobte ihres ehemaligen Geliebten. Hier begegnete sie auch einem Teil von Christians und Tinas gemeinsamer Vergangenheit und ungelebter Zukunft. Sara ahnte, dass sich in Tina etwas Rätselhaftes verbarg. Christian schien das bereits erkannt zu haben. Sie ging weiter. In der Wohnung war es halb dunkel. Durch die Ritzen der heruntergelassenen Rollläden drangen waagrechte Lichtstreifen ein, die gemächlich umher schwebende Staubpartikel sichtbar machten. Sara griff nach der Kurbel neben einem Fenster, das zur Straße ging, und ließ etwas mehr Licht herein. Ihr Blick richtete sich auf ein kleines Ölgemälde in der Diele, auf dem ein Teufel mit feurigen Augen die Gäste willkommen hieß. Düster. Und seltsam.
    Das Parkett knarrte unter Saras Schritten. Im Wohnzimmer herrschte ein kreatives Chaos aus Bildern unterschiedlicher Größe, alle mit der Vorderseite zur Wand gedreht. Sie hob eines an. Die Leinwand zeigte den lächelnden, aber aufgespießten und blutigen Kopf eines Lamms. Sara lief ein Schauer über den Rücken. Diese Arbeit verriet einiges über die Seelenlandschaft der Künstlerin.
    Das Schlafzimmer löste in Sara eine Woge der Eifersucht aus, was sie sich nur schwer eingestehen mochte. Sie setzte sich kurz auf den Bettrand, legte die Hände in den Schoß und fixierte der Reihe nach zornig jeden einzelnen Gegenstand. Das Buch auf dem Nachttisch enthielt Erzählungen von Edgar Allan Poe. Die Messinguhr war altmodisch und charmant verbeult. Tina war Romantikerin, das wusste Sara bereits von ihrer ehemaligen Mitbewohnerin, aber in dieser Romantikerin steckte ein harter Kern. Auch das hatte sie gleich am Anfang gemerkt.
    Was stellte sich Christian vor? Was sollte sie hier finden?
    Dafür dass sie Künstlerin war, wusste Tina ihr Leben in Ordnung zu halten, das hatte Sara begriffen, als sie noch mit ihr zusammenwohnte. Tina war eifrig im Putzen und Aufräumen, viel mehr als Sara.
    Sie ging durch das Wohnzimmer in die enge Küche und sah sich dort um. Sämtliche Metall-und Holzflächen glänzten spiegelblank. Geschirrberge gab es keine. Sara öffnete eine Schranktür und sah der Größe nach geordnete, fein säuberliche Reihen von Tellern und Tassen vor sich.
    Tina war sich bis zum Schluss treu geblieben. Ihr Aufbruch zum letzten Flug war gut vorbereitet gewesen, aber auf alles hatte selbst Tina nicht achten können. Wie hätte

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