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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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nachzugeben, und ließ mich auf Methoden ein, die auch für mich selbst gefährlich waren. In solchen Fällen bewegt man sich in einer Grauzone. Ich will nicht ins Detail gehen, aber ich habe wegen Freiheitsberaubung vor Gericht gestanden. Der Richter begriff jedoch, worum es ging, und ich kam mit der Minimalstrafe davon, mit sechs Monaten. In den Augen eines normalen Polizisten sieht mein Vorstrafenregister dennoch nicht besonders gut aus.«
    Luc klang ehrlich und aufrichtig, aber Sara war klar, dass sie nur seine Version der Geschichte gehört hatte.
    »Sie alter Knastbruder«, sagte sie leichthin.
    »Aber ohne Tätowierungen«, erwiderte Luc ebenso spielerisch, doch sein Lächeln wirkte gezwungen.
    Zu ihrem eigenen Missmut musste sich Sara eingestehen, dass Luc durch diesen neuen Zug nur noch faszinierender für sie wurde. Es bereitete ihr keine Schwierigkeiten, sich diesen zählebigen Mann in einer Gefängniszelle vorzustellen.
    Sie gingen die Stufen des Polizeigebäudes hinauf. Die Eingangstür war kugelsicher, der gesamte Komplex wirkte wie eine etwas zu karg ausgestattete Bank mit Überwachungskameras. Der Ort und die Situation flößten Sara Angst ein, auch wenn sie sich das nicht eingestehen wollte.

30
    Schwere Wolken spiegelten sich im Wasser der fjord-artigen Bucht von Kotor. Selbst an einem wolkenlosen Tag hätten die Sonnenstrahlen kaum über die steilen Felswände hinweg gereicht. Die Stadt Kotor selbst war schön: honigfarbene alte Häuser mit roten Ziegeldächern, grüne, üppige Parks.
    Christian und Sylvia stellten den Peugeot auf einem ungepflasterten Gelände ab, das als Parkplatz diente. Auf der Baustelle nebenan entstand ein kastenförmiger Neubau. Man hörte das Kreischen einer Kreissäge und Hammerschläge. Christian befühlte automatisch die Innentasche seiner Jacke, in der die Kassette steckte. Die geschäftig wirkende Kleinstadt weckte die Hoffnung auf ein gut sortiertes Elektrogeschäft. An dem Neubau arbeiteten mehrere Männer mit Helmen und Arbeitskleidung, eingefallenen, bärtigen Gesichtern und qualmenden Zigaretten. Auf der Hauswand gegenüber sah Christian mit Kleister angebrachte, teilweise schon halb abgerissene Plakate mit Gesichtern, die er nicht kannte. Waren das Politiker oder Verbrecher? »Bist du sicher, dass nicht schon in ganz Montenegro Bilder von uns kursieren?«, fragte Christian.
    »Ganz ruhig. In diesem Land funktioniert nichts so, wie du es gewohnt bist. Am allerwenigsten die Polizei. Falls du dir einbilden solltest, sie nageln dein Bild an sämtliche Telegrafenmasten, hast du dich getäuscht.«
    Christian glaubte Sylvia, aber trotzdem wich er den Blicken der wenigen Passanten aus. Links von ihnen glitzerte das Meer in der engen Bucht zwischen den Bergen, auf der rechten Seite dominierten die hohen Mauern der Altstadt von Kotor.
    Sylvia blieb vor einem Kiosk stehen, der über und über mit Zeitungen und Zeitschriften verkleidet war. »Ich brauche Zigaretten.«
    Christian starrte auf die Titelseiten der regionalen und nationalen Blätter, auf denen Luftaufnahmen vom Unglücksort und Kartengrafiken zu sehen waren. Er fand keine einzige Zeitung in einer ihm verständlichen Sprache, aber die Bilder waren deutlich genug. Zum ersten Mal sah er Aufnahmen vom Flugzeugwrack. Unwillkürlich ballte er die Fäuste und schloss die Augen.
    »Versuch vom Verkäufer zu erfahren, wo es hier in der Stadt ein Geschäft gibt, das Videokameras verkauft«, flüsterte er Sylvia ungeduldig zu und sah sich nach einer Telefonzelle um. Sara musste längst in Tinas Wohnung gewesen sein.
    Sara und Luc saßen nebeneinander auf der Kunststoffbank in der Eingangshalle des Polizeireviers, die ihnen von einer Polizistin zugewiesen worden war, nachdem sie ihre Personalien aufgenommen hatte. Im Wartebereich saßen drei weitere Personen, ein Geschäftsmann sprach hastig flüsternd in sein Mobiltelefon.
    »Wie haben Sie Béa zum Sprechen gebracht?«, fragte Sara leise.
    »Ich bin direkt in ihre alte Identität hineingegangen. Bis in die Kindheit. Ich behauptete, sie habe in der wirren Phase beim Nachlassen der Narkose von ihrem Hund Milou gesprochen. Von da aus kamen wir weiter.«
    Der junge Geschäftsmann wurde aufgerufen, und gleich darauf kamen Luc und Sara in einem anderen Raum an die Reihe.
    Ein freundlicher Polizist empfing sie hinter einer elektrischen Schreibmaschine. Er trug auffällige Koteletten und gewelltes Haar. Im ganzen Raum roch es nach Rasierwasser. »Wir kommen wegen des

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