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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Ich würde mir mehr Sorgen wegen der Uranbomben der Nato machen. Mit einem Kollegen von mir aus Heidelberg habe ich viele Leserbriefe für das Verbot von abgesicherten Urangeschossen geschrieben.«
    »Du bist ein Idealist.« Auf Sylvias Lippen war wieder das vertraute zynische Lächeln erschienen. »Ein Opfer der serbischen Gegenpropaganda.«
    »Die Nato hat selbst zugegeben, dass sie in Jugoslawien zweiunddreißigtausend DU-Geschosse eingesetzt hat. Das ist der Gipfel der Dreistigkeit. Es widert mich an, mit welcher Frechheit die Amerikaner radioaktive Stoffe benutzen, die vom Genfer Abkommen verboten werden und unter denen die Zivilbevölkerung und die Natur leiden.«
    »Du bist ganz schön scheinheilig. Hätte man auf die Gräueltaten der Serben ...« »Das hat nichts mit den Serben zu tun. Fakt ist, dass sich bei der Explosion von Urangeschossen Uranoxyd bildet, das in kleine Partikel zerfällt und sich mit dem Wind weiträumig ausbreitet. Die Partikel verseuchen Gewässer und dringen in die Nahrungskette ein. Die Nato-Staaten haben sich Sorgen wegen Tschernobyl gemacht, aber selbst verbreiten sie vorsätzlich die gleichen Stoffe. Auf den Schlachtfeldern im Irak sind nach dem Golfkrieg mindestens vierzigtausend Tonnen abgereichertes Uran zurückgeblieben.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass ein Wissenschaftler so empfänglich ist für Sentimentalität. Krieg ist Krieg.«
    Am Busbahnhof stießen zwei Busse Dieselabgase in die Luft. Vor einem der Busse stand eine Schar junger Männer, die sich lautstark unterhielten und sich dabei scherzhaft anstießen.
    »Im Golfkrieg sind achtzigtausend Nato-Soldaten durch den Umgang mit dieser Munition krank geworden«, fuhr Christian fort. »Was für eine Moral besitzt eine Militärführung, die ihre eigenen Truppen vernichtet?«
    »Hat jemand behauptet, Kriegsführung hätte etwas mit Moral zu tun?« Sie merkten, dass sie das Zentrum der Stadt umrundet hatten und sich wieder in der Nähe ihres Autos befanden.
    »Hier kriegt man keine Videokamera«, sagte Christian verzweifelt. »Wir fragen jemanden... und wenn das nichts bringt, fahren wir nach Podgorica.« Am Tor zur Altstadt stand ein kleiner Kiosk, aber er war geschlossen. »Nur nichts überstürzen. Die meisten Geschäfte sind auf der anderen Seite des Flusses.« Auf einer Brücke überquerten sie das grüne Wasser des Flussabschnittes, an dessen anderem Ufer neuere Bauten standen.
    Christian sah eine Telefonzelle. »Glaubst du, von dort aus kann man ins Ausland telefonieren?«
    »Kommt darauf an, wie viel Kleingeld du hast. Das rauscht ziemlich schnell durch.« Sylvia grub in ihren Taschen und fand eine Deutsche Mark. Christian fand in seinen Taschen zwei weitere. Damit betrat er die Telefonzelle und wählte gespannt Saras Handynummer. Tatsächlich meldete sich kurz darauf die vertraute Stimme.
    »Warst du in Tinas Wohnung?«, fragte Christian.
    »Ja.« Sara klang seltsam. »Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll. . . « »Mach schnell. Mir geht das Kleingeld aus.« Sogleich musste Christian die zweite Mark in den Apparat stecken.
    »Wusstest du, dass Tina . . . schwanger war?«
    Christian wurde flau. Er holte tief Luft, als befürchtete er, es könnte ihm den Atem rauben.
    »Bist du noch dran?«, fragte Sara besorgt.
    »Woher weißt du das?«
    »Du hast gesagt, ich soll mich umsehen. Dabei sind mir Arztunterlagen ins Auge gefallen.«
    Christian steckte die letzte Münze in den Apparat. Ihm wurde fast schwarz vor Augen. »Tina ist Mitglied einer Sekte namens Der Neue Morgen. Sie hatte im Kühlschrank eine Audiokassette versteckt . . . sie war mit dem Wort >Julia< beschriftet. Als ich in der Wohnung war, kamen plötzlich zwei Männer . . .«
    Die Verbindung brach ab. Christian öffnete ungeschickt die Tür und trat ins Freie. Salziger Wind von der Bucht schlug ihm entgegen. Am Himmel trieben aschgraue Wolken.
    »Und jetzt?«, fragte Sylvia vorsichtig, als sie Christians blasses Gesicht bemerkte, erhielt jedoch keine Antwort.
    Wie abgestumpft ging Christian weiter auf eine Straße zu, in der sich mehrere Geschäfte befanden. Die Bucht von Kotor lag in unwirklich anmutender Dämmerung. Auf dem Wasser waren zwei Schwäne zu sehen. Einer davon erhob sich stolz zum Flug, mit kräftig schlagenden weißen Flügeln, die das Wasser hoch aufspritzen ließen. »Dort«, sagte Sylvia plötzlich.
    Im Schaufenster eines Elektrogeschäfts in einem blutrot gestrichenen Haus waren Waschmaschinen, Fernseher und Videorecorder

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