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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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reden wollte.«
    »Das verstehe ich. Du warst eifersüchtig«, kam ihr Luc mit sanfter Stimme entgegen. »Ich mochte Tina nicht. Und der Grund war nicht nur die Eifersucht. Sie hatte so etwas... Verlogenes an sich.« Sie schloss kurz die Augen, als hätte ihre Aussage große geistige Anstrengungen erfordert.
    »Was meinst du damit?«
    »Ich weiß es nicht. Sie hat gezielt versucht, Jacob zu erobern.«
    »Gerade hast du zugegeben, dass du eifersüchtig warst...«
    »Eine Frau muss nicht eifersüchtig sein, um zu erkennen, wann eine andere Frau heimlich und mit ernsten Absichten flirtet. Mir wurde schlecht, als ich sah, wie Tina auf dem Tod ihrer Schwester herumritt.« Béas Miene spiegelte echten Abscheu wider. »Verzeihung, auf wessen Tod?«
    Christian keuchte heftig. Er konnte sich keinen Millimeter bewegen. Er wusste nicht, ob seine Bewusstlosigkeit Sekunden, Minuten oder länger gedauert hatte. Auf seiner Brust ruhte das Ende eines abgesägten Baumstammes, ein zweiter, etwas kürzerer Stamm befand sich wenige Zentimeter vor seinem Gesicht. Der längste Stamm, der über den Rand des Wagens hinausragte, war oberhalb von Christians Schulter gegen das Eisentor gekracht und hatte den Wagen gestoppt.
    Jeder Muskel an seinem Körper zitterte. Er war dem Tod begegnet, aber dieser hatte ihn mit einer Berührung davonkommen lassen.
    Christian hörte aufgeregte serbokroatische Stimmen. Das brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Tina, die Schwangerschaft, die Kassette, Rebecca ... Die Erwartung des sicheren Todes hatte etwas mit ihm gemacht, körperlich und seelisch. Seine Gedanken liefen nun in einer äußerst klaren Abfolge ab, und die Muskeln, die Nerven und die Haut pulsierten von einer eigentümlichen Wärme.
    Der Wagen mit den Stämmen bewegte sich mit einem Mal rückwärts, und der Druck auf den Brustkorb ließ nach. Wäre der Baumstamm nur einen Zentimeter länger gewesen, wäre Christian jetzt tot. Langsam fuhr der Wagen zurück. Wenig später war Christian von schweigenden, grob zupackenden Männern umringt. Drei Polizisten zerrten ihn zwischen den Schienen ans Tageslicht, aber das kümmerte ihn nicht. Es kam ihm vor, als habe das nahe Ende ihn gereinigt und ihm neue Kraft gegeben für das, was kommen mochte.
    Zwischen den Bretterstapeln kam ein glatt rasierter Mann in Lederjacke auf ihn zu und drehte ihm brutal die Hände auf den Rücken. Die Handschellen schnappten zu, und Christian wurde von zwei anderen Männern unter Vermeidung unnötiger Sanftheit abgeführt. Vor dem Sägewerkgelände standen zwei Fahrzeuge: ein alter gelber Zastava und der Polski Fiat mit den Kennzeichen der Polizei. Kein Mercedes, kein BMW, kein amerikanischer Van. Gott sei Dank. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte man ihn nur festgenommen, weil er unter Mordverdacht stand, obwohl es geradezu absurd war, deswegen erleichtert zu sein. Oder stand die hiesige Polizei mit den Kassettenjägern in Kontakt? Auszuschließen war das nicht.
    Dennoch fühlte sich Christian beinahe heiter. Am wichtigsten war es, am Leben zu sein. Am wichtigsten war es, die Wahrheit über Tina, das Kind, das Unglück zu erfahren. Er musste so lange überleben, bis er jemanden von offizieller Stelle gefunden hatte, der unabhängig war und dem er vertrauen konnte.
    Die Polizisten stießen ihn auf die Rückbank des Fiats, wo er zwischen ihnen in der Mitte sitzen musste. Sie fuhren auf die Hauptstraße, die von der Stadt wegführte. Ob Sylvia mehr Erfolg gehabt hatte? Christian befürchtete, ihm könne eine schlimme Fehleinschätzung unterlaufen sein. Würde man nach ihr nicht ebenso intensiv suchen wie nach ihm?
    Auf dem Beifahrersitz nahm der Leiter des Einsatzes das Mikrofon eines antiken Funkgeräts vom Armaturenbrett und sprach auf Serbokroatisch etwas hinein. Gleichzeitig zündete er sich mit einem Streichholz die Zigarette an, die zwischen seinen Lippen aufgetaucht war. Es regnete nicht mehr, aber die Gipfel der umliegenden Berge waren von bleigrauen Wolken verhüllt. Auf der Straße herrschte so gut wie kein Verkehr.
    Der Einsatzleiter sprach immer aufgeregter in das Funkgerät, während die anderen Männer ausdruckslos aus dem Fenster starrten. Die Handschellen an Christians Handgelenken drückten unangenehm. Er gab sich gar nicht erst die Mühe, mit den Männern zu kommunizieren, sondern blickte stur nach vorne auf die Straße, die sich an den Berghängen entlang schlängelte. Sie erreichten eine lange, abfallende Gerade, auf der ihnen ein Fahrzeug mit hoher

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