Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
Vom Netzwerk:
zuckende Bildsequenz. Man sah einen Mann vom Cockpit her durch den Gang rennen. Es war der Mann, der Tina geküsst hatte. Christian versuchte, den Kloß in seinem Hals zu schlucken. Warum rannte der Mann ? Hatte das irgendwie mit dem Unglück zu tun?
    Da wurde der Monitor schwarz. Der Akku war leer.
    »Verdammter Mist«, seufzte Christian schwer.
    »Ich habe dich gewarnt. Das Spulen kostet Energie.«
    Christian versuchte, das Kassettenfach zu öffnen, aber auch das funktionierte nicht ohne Strom. Er steckte die Kamera wieder in die Plastiktüte.
    »Strom bekommen wir vom Zigarettenanzünder«, sagte Sylvia. »Wir holen den Wagen ...«
    »Mach dich nicht lächerlich! Wir haben keine Zeit, es geht um Minuten.« Christian schaute sich um. »Du wirst nicht wegen Mordes gesucht. Versuch irgendwie zum Flughafen Tivat zu kommen. Der ist nicht weit weg. Es ist nicht vernünftig, wenn wir zu zweit unterwegs sind.«
    »Gib mir die Kamera.«
    Christian hätte über Sylvias Vorschlag gern gelächelt, aber er konnte es nicht. Sein Plan sah anders aus: »Ich verstecke sie und versuche, irgendwie über die Grenze zu kommen. Die Kassette holen wir uns dann später.«
    »Und wenn dir etwas zustößt? Dann bleibt die Kassette im Versteck, und das Geheimnis ist für immer begraben. Und einige Leute sind schwer erleichtert. Ist es das, was du willst?«
    Christian sah ein, dass Sylvia das Problem auf den Punkt gebracht hatte, aber konnte er ihr so weit vertrauen, dass er das Wissen um das Versteck mit ihr teilen durfte? »Du fragst dich, ob du mir vertrauen kannst«, stellte Sylvia prompt fest. Sie hatte während der zurückliegenden Stunden ihr Leben riskiert, wem also sollte er mehr vertrauen können?
    »Wir verstecken sie gemeinsam«, sagte Christian, wobei er Sylvia fest in die Augen sah. »Schnell.«
    Sie schaute mindestens ebenso fest zurück. Christian sah, wie sich ein Tropfen an ihren Wimpern bildete, aber ein scharfes Blinzeln ließ ihn sogleich auf die Wange fallen. »Und wenn ich doch zurückkomme und die Kassette hole?«, fragte Sylvia. »Sicherheitshalber?«
    »Das tust du nicht, weil du in deinem tiefsten Innern ein moralischer Mensch bist.« Sie lächelte. »In meinem tiefsten Innern?«
    Christian sah sich in dem felsigen Waldstück nach einem Versteck um. Obwohl er nicht wusste, wann er zuletzt geschlafen oder gegessen hatte, funktionierte sein Verstand außerordentlich präzise. Alles Unwesentliche hatte er abgeschüttelt. Den Gedanken an Tina und den anderen Mann wies er von sich. Er ging aufrecht und duckte sich nicht vor dem stärker werdenden Regen, der ihm ins Gesicht schlug.
    Da er nicht auf seine Schritte achtete, stolperte er und fiel hin, konnte die Kamera aber schützen. Er wollte gerade eine Serie von Flüchen ausstoßen, da sah er, worüber er eigentlich gestolpert war. Verborgen durch die Bodenvegetation tat sich unter dem Stein ein Hohlraum auf. Dort würde niemand die Tüte mit der Kamera finden, außer durch einen höchst unglücklichen Zufall.
    Sylvia sah zu, wie Christian die Tüte in die Höhle schob, Zweige darüberdeckte und sich die Stelle einprägte: ein zerfetzter Traktorreifen an einem Baumstumpf, verbogene Blechstücke, die unter der Grasdecke hervorragten, und ein abgeknickter Baumstamm. Christian richtete den Blick auf Sylvia, die sich die Stelle ebenso genau einzuprägen schien.
    »Wir trennen uns jetzt«, sagte Christian. »Du gehst zum Flughafen Tivat, und ich gehe meine eigenen Wege. Entschuldige, dass ich ...«
    »Sag nichts.«
    Sylvia schenkte Christian ein rätselhaftes Lächeln und wandte sich ab. Nach wenigen Schritten drehte sie sich um und fragte: »Was ist es, das dich so belastet?« Christian schaute ihr kurz in die Augen. »Es gibt Dinge, über die man höchstens mit sich selbst reden kann.«
    »Das habe ich auch mal gedacht.«
    Christian nahm eine betont aufrechte Haltung an. »Ich habe mein Examen in Medizin zusammen mit meinem besten Freund gemacht... Wir kannten uns seit dem Sandkasten. Sven hieß er. Er wollte Kinderarzt werden und ich Chirurg. Wir feierten zusammen, und auf dem Weg nach Hause stach ein Drogensüchtiger an der Straßenbahnhaltestelle mit dem Messer auf ihn ein.« Sylvia rührte sich nicht von der Stelle. Christian starrte auf einen Regentropfen an der Spitze eines Zweiges. Der Tropfen schien sich jeden Augenblick lösen zu wollen. »Ein Stich traf sein Herz. Der Rettungswagen kam, es ging um Sekunden. Ich habe eine Thorakotomie bei ihm vorgenommen. Sie ist

Weitere Kostenlose Bücher