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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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zu überlegen, schlug Christian mit der Flasche nach hinten aus. Offenbar traf er den Kopf des Angreifers, denn die Flasche zerbrach klirrend, und man hörte einen scharfen Aufschrei. Der Griff an den Schultern ließ nach, und Christian konnte durch die nächste Tür stolpern. Er warf sie hinter sich zu und stemmte sich mit dem Rücken dagegen. Panisch tastete er nach der Klinke, musste aber feststellen, dass kein Schlüssel im Schloss steckte. An der Wand nebenan stand eine Kommode, die er in aller Eile vor die Tür schob.
    »Predajte se!«, wurde im Flur gebrüllt.
    Christian öffnete das Fenster in der gegenüberliegenden Wand und kletterte hinaus. Gleichzeitig kippte hinter ihm die Kommode mit einem lauten Poltern um. Über ein Rasenstück und über Blumenbeete rannte er in den Waldstreifen hinein, hinter dem eine unbefestigte Straße verlief. Seine Beine waren müde, und es brannte in seiner Lunge. Rechts tauchte ein Sägewerk mit hohen Bretterstapeln auf. Der Himmel war mittlerweile noch dunkler geworden.
    Irgendwo ertönte wieder der scharfe Pfiff. Christian blickte über die Schulter. Das Polizeiauto bog weit hinter den Bäumen in die Richtung ein, in die er sich bewegte, und im Wald rannten bereits zwei Männer hinter ihm her. Christian spurtete über die lehmige offene Fläche vor dem Sägewerk, rannte durch die Zufahrt auf das Gelände und im Slalom zwischen den Holzstapeln weiter. Schwer keuchend lehnte er sich an einen Bretterstoß und spähte um die Ecke. Jeden Moment konnten die Polizisten auftauchen. Er verließ die Deckung und eilte auf mehrere mannshohe Haufen aus Holzstämmen zu.
    Wieder ertönte schrill die Trillerpfeife, diesmal direkt von vorne. Christian bog nach links ab, zu einem länglichen Gebäude. Er folgte den Schienen, die für den Transport der Stämme in die Erde eingelassen waren, huschte in den flachen Trockenraum und hielt vor einem mit dicken Baumstämmen beladenen Transportwagen an. »On je usao«, war in der Ferne gedämpft zu hören.
    Christian ging weiter ins Dunkel hinein. Die Schienen führten leicht nach unten, in einer Rinne zwischen Betonwänden, die immer enger wurde, je näher sie der Rückwand kam. Dort befand sich ein blau gestrichenes, verschlossenes Eisentor. In dessen rostigen unteren Rand waren Öffnungen eingelassen, durch die hindurch die Schienen weiterliefen. Ein Griff war an dem Tor nicht zu sehen. Draußen waren nun weitere Rufe zu hören. Christian ergriff den Rand des Tors und zog daran, aber es war wie zugeschweißt.
    »Izadite!«, brüllte eine Männerstimme hinter dem Wagen mit den Baumstämmen. Christian lehnte mit dem Rücken an dem Tor und keuchte.
    »Pazite da qa ne ubite«, rief ein zweiter Mann.
    Warteten sie darauf, dass er sich ergab ?
    Er hörte ein tiefes, stärker werdendes Grollen. Die Männer hatten den mit schweren Baumstämmen beladenen Transportwagen angestoßen, und nun rollte er auf den Schienen nach unten, direkt auf Christian zu. Platz zum Ausweichen gab es in der engen Rinne nicht. Gelähmt vor Entsetzen musste Christian untätig zuschauen, wie die tödliche Last schwer rumpelnd immer näher kam. In wenigen Sekunden stand ihm der sichere Tod bevor, aber das elektrisierte nicht etwa seine Gedanken und sorgte auch nicht dafür, dass sein Leben wie in einem Film vor seinen Augen ablief. Stattdessen erfüllte es ihn mit erstickender Trauer um Tina und das ungeborene Kind, ja sogar um den fremden Mann, der seine Braut geküsst hatte. Gott sei Dank kannte Sylvia das Versteck der Kassette. Zwar hatte Christian alles verloren, aber er wusste, er hatte sein Bestes getan, und der Gedanke daran ließ ihn seltsam ruhig und gelassen werden. Eine Sekunde bevor der erste, über den Rand des Wagens hinausragende Baumstamm seinen Brustkorb zertrümmerte, schloss er instinktiv die Augen. Innerhalb eines gnädigen Wimpernschlags verdunkelte sich die Welt. Christians letzter Gedanke galt Sven, der an der Straßenbahnhaltestelle in seinem Blut lag.
35
    »Sie haben mich nach Tina Carabella gefragt«, sagte Béa im Krankenhaus in Nizza. Sie lag im Bett ihres Privatzimmers und lächelte Luc Cresson zurückhaltend an. In einer Bodenvase standen drei Sonnenblumen, die ihre gelben Blätter verloren hatten und die Köpfe hängen ließen. Luc ließ sich nicht anmerken, wie eilig er es hatte, und ermunterte Béa mit einem Lächeln, weiterzusprechen.
    »Ich habe Ihnen gesagt, ich wisse nichts über Tina«, sagte Béa. »Die Wahrheit ist, dass ich nicht über sie

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