Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
Gesundheit gewesen, aber auch Geldsorgen hatten ihn fortwährend geplagt.
Im dritten Frühjahr hatte Ilona Junge erwartet, und Tuija hatte den Welpen eine alte Wanne als Nest hergerichtet. Sie hatte eine Wolldecke aus dem Schuppen darin ausgebreitet und in der Schule gebangt, weil sie Angst hatte, dass bei der Geburt der Jungen etwas schief gehen könnte.
Dann war einer der schrecklichsten Tage ihres Lebens gekommen. Der Tag vor dem Umzug nach Pudasjärvi war natürlich eigentlich der schrecklichste gewesen, aber mittlerweile drängte er sich – anders als während der ersten zehn Jahre danach – nicht mehr jeden Tag und jede Nacht in Tuijas Bewusstsein.
An die letzten Stunden im Leben von Ilona hingegen erinnerte sie sich noch immer vollkommen klar. Als sie von der Schule nach Hause gekommen war, hatte die Hündin sie nicht begrüßt. Mit klopfendem Herzen war Tuija ins Haus gerannt, sicher, dass Ilona gerade ihre Jungen warf oder es schon hinter sich hatte. Aber sie hatte Ilona nirgends finden können.
Auch Eevert hatte die Hündin seit vielen Stunden nicht mehr gesehen. Tuija hatte sich auf die Suche gemacht, denn womöglich hatte sich die Hündin zum Werfen einen versteckten Platz gesucht. Tuija war über einen Kilometer weit zum Nachbarn gerannt. Doch auch dort hatte man nicht gewusst, wo Ilona war.
Schließlich hatte Tuija vor der Tür des allein lebenden Kohonen gestanden, den alle für ein bisschen sonderbar hielten. Dieser war zunächst aggressiv und böse gewesen, fast so, als wäre er betrunken, dabei hatte er gar nicht nach Alkohol gerochen.
»Dein Hund ist zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, genau wie ich«, hatte er Tuija mit stechendem Blick erklärt.
»Was meinst du damit?«, hatte Tuija ängstlich gefragt.
»Verzieh dich! Er war ja auch schon alt.«
»Wovon redest du?«, hatte Tuija hysterisch geschrien. »Ilona ist nicht alt … Sie erwartet Junge. Wo ist sie?«
»Hör auf zu schreien, Mädchen! Geh nach Hause.«
Das hatte Launo Kohonen gesagt. Mit müder und ernster Stimme. Hör auf zu schreien, Mädchen. Geh nach Hause.
Tuija hatte Ilona tot im Wald gefunden, unweit von Launos Haus. Die Hündin war erschossen worden.
Danach war Tuija endgültig allein gewesen, hatte nach der Schule kein Fell mehr für ihre Tränen. Vor dem Lehrer und den Mitschülern hatte sie nie geweint. Kein einziges Mal.
Tuija zupfte einen Fussel von Rafiqs Ärmel und nahm ihren Mann in den Arm. Bei Rafiq fühlte sie sich gewärmt und geborgen.
48
Johanna ging zu Fuß vom Restaurant zur Polizeiwache zurück. Der kalte Wind biss ihr in Nase und Wangen. Dass sich Tuija so ereifert hatte und in eine Predigt über religiöse Fragen ausgebrochen war, hatte Johanna überrascht. Aber immerhin hatte sie dadurch begriffen, dass Tuija sich nicht so leicht zum Islam bekehren lassen würde.
Freilich wirkte Rafiq ohnehin ungefährlich und in dieser Umgebung sogar fast Mitleid erregend. Johanna war klar geworden, dass Tuijas Loyalität ihm gegenüber nicht so leicht brechen würde. Sie hätte das Paar gern einmal zu Hause gesehen und gewusst, was Rafiq in seiner Freizeit machte, ob er Hobbys hatte, was er las.
Auf einmal ging ihr auf, dass sie in gewisser Weise ja schon einmal bei ihnen zu Hause gewesen war. In ihrem Wochenendhaus.
Sie benutzten die Kaminstube als Ferienhäuschen. Sie vermieteten es, sooft wie möglich, und in der übrigen Zeit nutzten sie es selbst. Darum stand das Bettsofa darin, darum waren Bücher, Zeitschriften und Kassetten im Regal. Normale Urlauber hätten die sicherlich nicht vermisst.
Johanna rief sich in Erinnerung, was sie im Regal gesehen hatte. An einzelne Zeitschriften oder Bücher konnte sie sich nicht mehr erinnern, aber die selbst aufgenommenen VHS-Kassetten waren ihr aufgefallen. Rafiq arbeitete jeden Abend, weshalb er das Fernsehprogramm nur verfolgen konnte, wenn er es aufzeichnete.
Erst jetzt verstand Johanna, warum sie den Kassetten überhaupt Beachtung geschenkt hatte: weil auf mindestens drei davon zu lesen war: ›CSI – Den Tätern auf der Spur‹. Das war eine Serie, die pedantisch die technischen Ermittlungen bei Kriminalfällen zeigte. Hunderttausende Finnen sahen sich Krimiserien an und zeichneten sie sicherlich auch auf. Daran war nichts Außergewöhnliches.
Aber wenn – wenn – jemand die Absicht haben sollte, einen Mord zu begehen und ihn so zu inszenieren, dass der Verdacht auf einen anderen fiel, dann gab es kein besseres Lehrmaterial als eine Serie wie
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