Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
gerade das originale Lappenzelt für die Amis fertig …«
»Es dauert nur wenige Sekunden. Sie haben irgendwann gesagt, dass Rafiq mal mit Tuija am Schießstand gewesen ist. Wann war das?«
»Gleich nachdem ich hierher gezogen bin. Es dürfte das erste Mal gewesen sein, dass ich sie getroffen habe.«
»Hat Rafiq auch geschossen?«
»Ja. Und zwar gut.«
»Und danach? Haben Sie die beiden noch mal auf dem Schießstand gesehen?« »Für so etwas hat Tuija keine Zeit. Wenn jemand ein Workaholic ist, dann sie.«
Johanna beendete das Gespräch und holte sich einen Kaffee. Auf dem Gang kam ihr Kulha entgegen.
»Die Firma Restaurant Oase , Pudasjärvi, hat beim Bezirksfinanzamt Oulu Schulden von über 50 000 Euro. Die gehen in die Zwangsvollstreckung«, sagte Kulha. »Außerdem hat Tuija Karam unbezahlte Raten beim Autohaus Laakkonen , beim Elektro-Gigant-Markt in Oulu und offene Kreditkartenrechnungen von insgesamt 28000 Euro. Die Immobilie, die sie geerbt hat, wird Anfang Dezember zwangsversteigert. Das ist das Haus, zu dem die Kaminstube gehört. Das Restaurant ist gepachtet. Die Miete für die Wohnung ist seit drei Monaten nicht bezahlt.«
»Das ist ja … Erstaunlich, wie die beiden die Fassade aufrechterhalten«, sagte Johanna.
»Schulden bis über beide Ohren«, konstatierte Kulha. »Was machen wir damit?«
Johanna dachte einen Moment nach.
»Vorläufig nichts. Wir müssen uns zuerst fragen, was das bedeutet. Ob es überhaupt etwas bedeutet.«
Nachdem sie in der Küche die Kaffeemaschine eingeschaltet hatte, schnitt sich Johanna ein Stück Hefezopf ab. Der Lebensstandard der Karams war also auf Sand gebaut. Auf Flugsand, um genau zu sein. Was Restaurant und Kaminstube einbrachten, reichte nicht annähernd für die Ansprüche des Ehepaars.
Hedu ging auf dem Gang vorbei, als er aber Johanna in der Küche sah, kam er herein.
»Ich hab was Neues zu dem deutschen Anschluss, den Rafiq angerufen hat«, sagte er.
Neugierig legte Johanna das Messer aus der Hand. »So schnell?«
Hedu nickte. »Die Informationen kommen nicht vom Telefonanbieter, sondern von der deutschen Polizei. Und vom Nachrichtendienst. Die haben denselben Anschluss im Zusammenhang mit Terrorismusverdacht unter Beobachtung.«
Johanna war zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit überrascht. Hedu genoss das sichtlich, aber das gönnte Johanna ihm gern.
»Was glauben sie, wer den Anschluss benutzt?«
»Ibrahim Karam.«
Diese Information konnte man so und so nehmen: Es war nur natürlich, dass die Brüder Kontakt zueinander hielten. Andererseits weckte es natürlich Zweifel, wenn Rafiq in so engem Kontakt zu seinem Bruder stand, dessen terroristische Verbindungen bekannt waren.
Tuija wusste die Wahrheit über ihren Mann, das war sicher, angesichts der Symbiose, in der die beiden zu leben schienen.
»Hier ist eine Liste der Teilnehmer, die von Rafiq Karams finnischem Anschluss aus angerufen worden sind«, sagte Hedu und reichte Johanna einige Fotokopien. »Nichts Außergewöhnliches. Außer einem interessanten Namen …«
Johanna sah sich die Liste an. Eine Person, die Rafiq sehr oft angerufen hatte, war rot unterstrichen: Saara Vuorio.
DRITTER TEIL
51
Timo behielt die Umgebung im Auge und blickte immer wieder in den Rückspiegel. Er hätte sehr gern eine Waffe bei sich gehabt, obwohl er wusste, dass sie unter den gegebenen Umständen kaum mehr als psychologischen Schutz geboten hätte. Jetzt waren Vorsicht und gesunder Menschenverstand gefragt.
Der Peugeot, den er am Flughafen Amman gemietet hatte, gehorchte seinen nervösen Lenkbewegungen. Am tiefblauen Himmel hing ein fahler Halbmond, in dessen Licht sich beiderseits der Straße die scharfen Umrisse von Felsen abzeichneten. Die Hügel von Amman hatten sie hinter sich gelassen. Die Stadt war jung und vom Straßenbild her nichtssagender als Damaskus oder Beirut. Im Jahr 1948, als der Staat Israel gegründet wurde, flohen so viele Palästinenser in die Stadt, dass sich die Einwohnerzahl von Amman innerhalb von zwei Wochen verdoppelte.
Ein Anruf vom Flughafen aus hatte bestätigt, dass Männer von RiskManagement schon an der Grenze und in Al-Ghirbati waren. Timo warf einen kurzen Blick auf Karri, der neben ihm saß. Dessen Verhalten am Flughafen hatte Timo schwere Sorgen gemacht. Noch immer war Karri angespannt und trotzig, nach außen hin wirkte er aber müde, blass und verschwitzt. Die Situation war schon für einen Profi belastend und anstrengend, für einen Laien natürlich umso mehr.
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