Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
die Waffe schräg nach oben und drückte ab. Die Kugel drang in die Deckenverkleidung ein.
»Was ist das für ein Text?«
»Rede!«, befahl auch Timo ungeduldig.
Saara räusperte sich. »Das Original des Thomasevangeliums.«
Auf Tuijas Gesicht machte sich aufrichtige Überraschung breit. »Dasjenige, das die Kirche vernichten wollte? In dem Jesus keine Wunder vollbringt und nicht von den Toten aufersteht?«
Saara nickte.
66
Kekkonen fuhr fast in Schrittgeschwindigkeit auf der schmalen Straße durch den Wald. Johanna hatte versucht, Tuija anzurufen, aber sie hatte sich nicht gemeldet.
Das war ein schlechtes Zeichen.
Ohnehin war die Situation äußerst miserabel: eine unberechenbare, gewaltbereite Frau hatte sich spontan zu einer Geiselnahme entschlossen.
»Haben Sie Tuija nie im Verdacht gehabt?«, wollte Johanna von Rafiq wissen, der neben ihr auf der Rückbank saß.
»Vielleicht ein bisschen«, sagte Rafiq leise. »Sie war am letzten Wochenende viel allein unterwegs.«
»Es verlangt schon einiges an Raffinesse, Launo Kohonen die Waffe zu entwenden und sie dann unbemerkt in dessen Schuppen zu bringen. Und auch noch die Halsketten im Haus zu verstecken.«
»Ich habe durch die Tür gehört, wie Tuija Lea anrief und ihr sagte, sie habe in der Kaminstube einen Schal gefunden. Sie wollte wissen, ob er Lea gehörte und wann sie ihn abholen würde. Sie haben sich eine Zeit lang unterhalten. Ich wusste nichts von einem Schal.«
»Haben Sie Tuija danach gefragt?«
»Nein. Ich wollte nicht verraten, dass ich ihrem Telefongespräch zugehört hatte.«
So hatte Tuija also dafür gesorgt, dass Lea nach Pudasjärvi kam.
Johanna wunderte sich immer mehr über den Renault, der vor ihnen herkroch und gebührenden Abstand zu dem Reisebus hielt. Über das Nummernschild hatten sie bereits erfahren, dass sich der Wagen im Besitz einer Autovermietung in Oulu befand. Kulha klärte gerade, wer das Auto gemietet hatte.
Johanna versuchte nicht auf den Wirbel der Schneeflocken im Scheinwerferlicht zu achten. Gerade war die Information gekommen, dass der Super Puma des Grenzschutzes, der die »Bär«-Eingreiftruppe transportierte, in Helsinki gestartet war. Der Vizechef der Zentralkripo hatte Johanna sehr besorgt angerufen und das Gespräch garantiert mit noch größerer Besorgnis beendet. Die Polizeiführung kam gerade zusammen und würde demnächst einen zweiten Helikopter besteigen.
»Erzähl mir noch genauer von Saara und Hamid al-Huss«, bat Johanna und sah Rafiq an.
»Saara war vor drei Wochen mit ihrem holländischen Kollegen in Syrien und traf dort Hamid und seinen Bruder. Saara und Luuk van Dijk bekamen eine Probe von einer Schriftrolle und sagten, sie würden eine Altersbestimmung vornehmen lassen.«
Johanna stellte fest, dass Rafiq überraschend genau über Saaras Vorhaben Bescheid wusste. Sie mussten sehr detailliert über all diese Dinge gesprochen haben.
»Saara war zufrieden, als sie in Syrien die Kopie des Kaufvertrages sah, der bewies, dass Ariel Hasan im Jahr 1947 Schriftrollen gekauft hatte, die an derselben Stelle gefunden worden waren. Der Kaufvertrag war angeblich der entscheidende Beweis in einer Kette, die zeigte, dass die Rollen nicht aus den Ruinen von Qumran stammten, sondern von einem anderen Ort. Aber der Originalkaufvertrag befand sich im alten Haus von Hamids Vater in Al-Ghirbati im Irak. Unter der neuen irakischen Führung hatten Hamid und sein Bruder aber im Irak nichts verloren. Darum beschloss Saara, mit ihrem Kollegen das Original des Kaufvertrages zu holen.«
»Hat auch die Entführung damit zu tun?«, wollte Johanna wissen. »Wussten die irakischen Entführer, wohinter Saara und Luuk her waren?«
»Hamid meinte, sie hätten es gewusst. Irgendeine Räuberbande roch Geld, als sie den Wink bekam, zwei Europäer mit Sicherheitsmann kämen nach Al-Ghirbati, um etwas zu holen. In der Hoffnung auf Lösegeld schlugen sie zu.«
»Und die eigentlichen Schriftrollen?«
»Die wurden zwei Wochen zuvor in Syrien in Aluminiumzylindern in eine Transportkiste eingeschlossen. Und Hamid legte ein eigenes Paket dazu, hinter dem Rücken von Saara und Luuk. Die Kiste wurde mit einem speziellen Aufkleber versehen und mit der Aufschrift ›Archäologisches Forschungsmaterial‹ verfrachtet. Es bestand praktisch keine Befürchtung, dass jemand die Kiste unterwegs aufmachen würde. Und so kam auch das Päckchen ans Ziel, das Hamid hineingeschmuggelt hatte.«
»Was war darin enthalten?«, fragte
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