Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
ich gehe selbst hin.« Johanna wandte sich ab. »Am anderen Ende des Ganges, vor der Tür zum Sekretariat?«
Es läutete zum Ende der Pause, und durch die Tür strömten die Kinder herein. Sie waren in gedämpfter Stimmung und machten kaum Lärm.
Im Lehrerzimmer hielt sich ein halbes Dutzend Lehrer auf. Sie waren gerade im Begriff, in ihre Klassen zu gehen. Vor dem Fenster stand ein kleiner Tisch mit weißer Tischdecke, darauf ein Foto von Erja und eine Kerze.
Johanna stellte sich kurz vor und fragte dann, wer von den Kollegen Erja persönlich gekannt habe, auch außerhalb der Schule. Es stellte sich heraus, dass keiner von den anderen Lehrern Erja je zu Hause besucht hatte.
Johanna versuchte vergeblich, noch etwas aus den Kollegen herauszubekommen, aber alle waren extrem zurückhaltend.
»Danke«, sagte sie schließlich kühl. »Ich muss jetzt gehen, aber falls Ihnen irgendetwas einfällt, das uns im Zusammenhang mit Erjas Tod weiterbringen könnte, dann möchte ich Sie bitten, mich anzurufen. Ich lasse meine Karte hier.«
Johanna befestigte ihre Visitenkarte mit einem Reißnagel am schwarzen Brett, neben dem Bestellcoupon für ein geistliches Buch. Im Raum herrschte drückende Stille. Johanna war schon an vielen Arbeitsplätzen gewesen, aber hier wollte sie so rasch wie möglich verschwinden: vermufft und argwöhnisch erschien ihr die Atmosphäre. Oder hatte das nur mit Erjas Tod zu tun?
Keiner der Lehrkräfte sah sie an, als sie an ihr vorübergingen, außer der jungen Frau, die als Letzte den Raum verließ. Die warf ihr einen raschen Blick zu, den Johanna sogleich aufnahm.
»Könnten Sie noch einen Moment bleiben?«, sagte sie zu der Frau und schloss dabei die Tür, ohne die Antwort abzuwarten.
Nervös richtete die Frau sich die rot gefärbten Haare.
Johanna schob ihr einen Stuhl hin. »Name?«
»Jenni Ahonen.«
»Wie lange haben Sie Erja gekannt?«
»Ich bin vor drei Jahren hierher gekommen.«
»Gefällt es Ihnen hier?«
Jenni lächelte. »Es geht. Die Kinder sind die Hauptsache, und die sind hier klasse. Nirgendwo sind mir bisher ruhigere und verantwortungsvollere Kinder begegnet.«
Die junge Frau wirkte intelligent und wortgewandt.
»Niemand von Ihnen hat Erja anscheinend besonders gut gekannt?«
»Sie war … etwas eigen. Ein bisschen Eremit.«
»Ist Ihnen in letzter Zeit eine Veränderung in ihrem Verhalten aufgefallen?«
Nachdenklich schaute Jenni auf Erjas Bild. Die Kerzenflamme spiegelte sich in ihren Brillengläsern.
»Ich weiß nicht. Ich glaube, sie hatte in den letzten Wochen Probleme. Sie war stiller als sonst. Weniger darauf aus, sich in die Angelegenheiten der anderen einzumischen. Aber vielleicht hat das mit dem … Aufstand zu tun.«
»Mit was für einem Aufstand?«
Jenni seufzte und dämpfte die Stimme, bis nur noch ein Flüstern zu hören war. »Ich weiß nicht, ob ich darüber reden darf. Es hat natürlich nichts mit dem Mord zu tun …«
»Sagen Sie es mir ruhig.«
»Einige Eltern haben sich über Erja beschwert und Unterschriften gesammelt. Aber nicht viele zusammenbekommen. Dem Großteil der Eltern gefiel Erjas strenger Stil ja gerade. Und dass sie die religiösen Dinge so überzeugend lehrte.«
»Die Trennungslinie lief also gemäß den religiösen Ansichten der Eltern?«
»Ich denke schon.«
Jenni nahm ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Tasche. »Das haben Sie aber nicht von mir.«
Johanna schob den Zettel in ihre Tasche und schwieg einen Moment. Dann fragte sie: »Wissen Sie, ob Erja einen Freund hatte?«
»Erja? Das glaube ich nicht.«
Der Tonfall war vielsagend.
»Kennen Sie Tomi Stenlund?«, fühlte Johanna vorsichtig vor.
»Nein. Wer ist das?«
Die Lehrerin rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. »Unser Rektor mag es gar nicht, wenn die Lehrer zu spät in die Klassen kommen.«
»Zwei Dinge noch. Erja hatte sich vor ein, zwei Wochen am Auge verletzt. Wie ging sie hier in der Schule damit um?«
»Sie hat gesagt, sie sei unter der Dusche ausgerutscht. Wieso?«
»War diese Erklärung Ihrer Meinung nach glaubwürdig?«
Die Frau zuckte unsicher mit den Schultern.
»Trug Erja irgendeinen besonderen Halsschmuck?«
»Sie hatte ein Kreuz. Sie sagte, das habe sie sich als Mädchen zusammen mit ein paar engen Freundinnen angeschafft. Sie waren eine enge Gemeinschaft und nannten sich Schwestern Zions.«
»Gut. Gehen Sie nur. Wenn Ihnen noch etwas zu Erja einfällt, zögern Sie nicht, mich anzurufen.«
Jenni Ahonen stand rasch auf und
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