Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
dieser Erkenntnis hatte der Arzt sie wohl kaum angerufen.
»Im Blut keine Spuren von Alkohol, Medikamenten oder Drogen«, fuhr er fort.
Alles andere wäre auch eine ziemliche Überraschung gewesen, dachte Johanna.
»Wussten Sie, dass die Tote schwanger war?«
Das also war die Bombe, die der Mediziner platzen ließ. Um ein Haar wäre Johanna das Telefon aus der Hand gefallen.
»Schwanger?«
»Ungefähr in der vierten Woche.«
Ach, Erja.
»Bekommen Sie von dem Embryo eine DNA-Probe, mit der sich die Vaterschaft feststellen lässt?«
»Selbstverständlich.«
Mit neuer Energie kehrte Johanna zum Polizeirevier zurück. Sie ging in ihr Büro und nahm eine Mappe aus der Hängeregistratur. Darauf stand mit schwarzem Filzstift: ERJA YLI-HONKILA. Sie blätterte in den zahllosen Audrucken, Kopien und anderen Papieren, bis sie ein bestimmtes Blatt gefunden hatte.
Erja hatte auf ihrem Computer mehrere Suchbegriffe eingegeben. Johanna meinte sich zu erinnern, dass einer der Begriff Oxyrhynchos lautete, wovon auch Karri Vuorio schon gesprochen hatte. Und so war es tatsächlich.
Vielleicht hatte Erja nur herausfinden wollen, womit sich Saara beschäftigte.
Immer ungeduldiger sah Johanna dem für den nächsten Morgen anberaumten Gespräch mit Lea Alavuoti entgegen. Das Treffen der Schwestern Zions in alter Besetzung am vergangenen Freitagabend gehörte zu den Dingen, die Johanna am meisten interessierten.
Von dem Quartett waren zwei ermordet und eine entführt worden. Befand sich Lea Alavuoti etwa in Gefahr? Musste sie nicht unter Schutz gestellt werden?
Johanna ging wieder auf den Gang hinaus. Vuokko kam ihr in Epaulettenjacke und engen Jeans entgegen. Die Kleidung sollte ihre massive Erscheinung gar nicht verhüllen, sondern eher noch betonen.
Am Blick der Kollegin erkannte Johanna, dass etwas Interessantes aufgetaucht war. Sie gingen in die Kommandozentrale, wo Kulha gerade eine Apfeltasche aß.
Vuokko gab Johanna ein Fax und sagte: »In Vantaa sind sie die Tagebücher durchgegangen, die in Anne-Kristiinas Wohnung gefunden wurden. Viel banales Blabla, Männergeschichten und religiöse Überlegungen kreuz und quer durcheinander. Aber da gibt es eine Seite, die interessant für uns ist.«
Johanna las den am Rand markierten, mit deutlicher, schöner Handschrift geschriebenen Text, der laut Datum zwei Wochen zuvor ins Tagebuch eingetragen worden war:
E. hat angerufen und geweint. Das Schwein hat sie geschlagen. Ich befahl ihr, zur Polizei zu gehen, aber sie wurde wütend und legte auf. Sie tut mir Leid. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie ernsthaft verliebt. Warum muss ausgerechnet ihr so ein Lump über den Weg laufen? Und warum hat sie mir nicht von Anfang an geglaubt? Ich habe sofort gesehen, dass er nicht der Mann ist, der zu E. passt. Er passt zu keiner. Er ist ein Stier, den man kastrieren müsste.
»Was sagt die Telefonliste zu diesem Datum?«, wollte Johanna von Vuokko wissen.
»Von Erjas Anschluss aus ist am 26. 10. um 21.42 Uhr Anne-Kristiinas Anschluss angerufen worden. Dauer des Gesprächs 4 Minuten, 13 Sekunden.«
In dem Moment kam Aki Jarva herein und legte einen Stoß Papier auf dem Tisch ab. Er hatte seine modische Jacke ausgezogen und die Ärmel seines schwarzen Rollkragenpullis hochgekrempelt. »Die Telefonliste von Stenlund.«
Johanna schnappte sie sich und überflog die Zeilen. Es waren reichlich Anrufe verzeichnet, auch zu Nummern im Ausland. Ihr Blick blieb auf den Zeilen am unteren Rand des Blattes haften.
Von Stenlunds Anschluss war mindestens zwanzigmal die Nummer von Erja Yli-Honkila angerufen worden.
Johanna überlegte kurz.
»Holt Stenlund!«
22
Die Hitze und die weißen Tabletten hatten längst alle Lebenskraft aus Saaras Organismus vertrieben. Sie lag mit gefesselten Füßen und Händen auf einer schmutzigen Matratze. Sie konnte nicht schlafen und sich kaum wach halten, sie starrte immerzu auf die schwache Glühbirne an der Decke des kleinen Kellerraums.
Seine Jünger fragten ihn: »Wann kommen die Toten zur Ruhe? Wann ersteht die neue Welt?« Er antwortete ihnen: »Das, worauf ihr wartet, ist schon gekommen, aber ihr begreift es nicht.«
Saara war zu keinem Gedanken mehr fähig, nicht einmal an das, was sie und Luuk gefunden hatten, konnte sie denken … oder daran, was mit dem Aluminiumzylinder geschehen war, nachdem die Entführer offenbar gewusst hatten, wonach sie suchten.
Luuk lag auf der anderen Seite des Raumes an der Wand, ebenso zum Paket verschnürt, ebenso
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