Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
unfähig zu kommunizieren, obwohl sie vielleicht hätten flüstern können.
Keith lag in der Ecke. Um den blutigen Verband an seiner Hand kreisten Fliegen. Seine Hände waren nicht gefesselt, aber man hatte ihm einen Strick um die Knöchel geschlungen. Das war überflüssig. Selbst wenn man Keith auf die Straße gestellt hätte, wäre er nicht fähig gewesen zu gehen. Sein fiebriges Gesicht war bleich und starr, Saara war sich nicht einmal sicher, ob er noch atmete.
Johanna sah den Mann, der in dem kargen Vernehmungsraum vor ihr saß, nun mit anderen Augen. War das die Ratte?
Auf dem Tisch lief das Aufnahmegerät.
»Bei Autos und Frauen gilt für mich: möglichst wenig gebraucht«, sagte Stenlund und sah Johanna dabei spöttisch und herausfordernd an. Er trug einen grünen Overall, denn seine Kleider waren für die Faseruntersuchung konfisziert worden.
»Aber mit der Yli-Honkila ist es nicht weit gekommen«, sagte er auf einmal ernsthaft.
»Was hat Ihre Bekanntschaft beendet?«
»Das eben.«
»Dass Sie nicht weitergekommen sind?«
Stenlund nickte.
»Sie haben zu viel gewollt, und sie hat sich daraufhin nicht mehr mit Ihnen treffen wollen?«
»So ungefähr.«
»Und da haben Sie beschlossen, sie zu schlagen.«
Stenlund schüttelte den Kopf. »Ich hab sie nicht geschlagen.«
Der Mann hatte von Anfang an gelogen, in vielen Dingen, und erst aufgegeben, als sich das Lügen als zwecklos erwies.
»Sie haben gesagt, Erja habe Ihnen bei der Übersetzung der Firmen-Homepage geholfen. In Erjas Computer gibt es kein einziges Dokument, das damit zu tun hat. Auf Ihrem Computer ebenfalls nicht. Stattdessen haben Sie für die betreffende Arbeit ein Übersetzungsbüro in Oulu bezahlt.«
»Genau. Erja hat mir nur bei ein paar Aktualisierungen geholfen. Sie können doch nicht im Ernst …« Der Ärger stieg in dem Mann auf. »Verdammt noch mal, wenn ihr glaubt, ihr könnt aus mir einen Mörder machen, dann habt ihr euch getäuscht.«
Johanna antwortete bewusst nicht.
»Ein Waffenhändler in Seinäjoki hat Ihnen ein SAKO-Gewehr verkauft, für das sie keine Erlaubnis besitzen. Wo ist die Waffe?«
Stenlund verschränkte die Arme. »Ich hab sie vergraben. Ich kann euch die Stelle zeigen.«
»Warum vergraben?«
»Ich habe sie zum Wildern benutzt.«
»Wo ist die Remington, die Sie Kohonen geliehen haben?«
»Ich hab doch schon gesagt, dass ich das nicht weiß. Fragen Sie Launo!«
»Wäre es nicht klüger, dieses Versteckspiel zu beenden und stattdessen das Gewissen zu erleichtern? Warum haben Sie die werdende Mutter Ihres Kindes und damit auch Ihr eigenes Kind umgebracht? Wollte Erja Sie verlassen, nachdem Sie sie geschlagen haben?«
In Stenlunds Augen blitzte etwas auf, aber er beherrschte sich sofort wieder.
»Ich habe niemanden geschlagen und niemanden umgebracht. Und es bekommt auch niemand ein Kind von mir.«
»Erja war in der vierten Woche schwanger.«
»Aber nicht von mir.«
»Wir vergleichen gerade Ihre DNA mit der des Embryos. Das Ergebnis wird bald vorliegen.«
Es wurde still im Raum.
Schließlich schloss Stenlund die Augen und sank in sich zusammen. Von Pokerface und Coolness keine Spur mehr, vielmehr sah Stenlund aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Oder er war ein extrem guter Schauspieler.
»Ich habe Erja nicht umgebracht«, flüsterte er heiser und richtete den Blick auf Johanna. »Ich wusste auch nicht, dass sie schwanger war.« Seine Stimme versagte.
Johanna hätte ihm gern geglaubt, so untröstlich wie der Mann aussah. Aber noch war sie nicht bereit aufzugeben, noch lange nicht.
»Wo sind die Halsketten?«, fragte sie, Stenlunds Augen fest im Blick.
»Wovon reden Sie?« Der Mann blickte gerade und scheinbar aufrichtig zurück.
»Wir kommen morgen früh darauf zurück«, sagte Johanna, stand auf und ließ Stenlund allein im Raum. Das Wartenlassen gehörte zu den klassischen Vernehmungstechniken. Hatte ein Mensch eine gewisse Zeit allein in der Zelle verbracht, steigerte das erwiesenermaßen seine Redebereitschaft.
Aber ein Geständnis würde nicht genügen. Sie mussten auch konkrete Beweise finden. Die Hausdurchsuchung bei Stenlund hatte bislang nichts ergeben.
Im Konferenzraum lief gedämpfte Tangomusik aus dem Radio, Kekkonen aß ein Sandwich, Kulha eine Tiefkühlpizza.
»Wie sieht’s aus?«, fragte Kekkonen und wischte sich einen Krümel von der pockennarbigen Wange.
»Er darf über Nacht schmoren. Kann gut sein, dass Stenlund der Vater von Erjas Kind ist.«
»Das
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