Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
losgelassen, als Showeinlage. Einer war im Gelben Saal, einer im Staatssaal hochgegangen, beides eigentlich ziemlich kleine Böller, aber einen Brand konnten sie schon auslösen.
Es schlug Vasa aufs Gemüt, dass Jasmin erwischt worden war. Auf einen so schweren Rückschlag war er nicht vorbereitet gewesen. Mit einem Mal nahm Jasmins Leben nun unwiderruflich eine neue Richtung, und ihm kam die Verantwortung zu, das Ganze auf die bestmögliche Art zu regeln. Aber das würde erst später von Bedeutung sein, jetzt ging es um den gegenwärtigen Augenblick. Vasa bereitete sich innerlich darauf vor, seine letzte Forderung zu stellen. Und diese würde die Finnen gründlich überraschen.
Er warf einen Blick auf seinen Vater, der still und allein auf der anderen Seite des Ganges saß und vor sich hin starrte. Mit einer solchen Reaktion hatte Vasa nicht gerechnet. Der Vater hatte erklärt, sich in keiner Weise an der Operation zu beteiligen. Vasa solle seinen größenwahnsinnigen Plan allein durchziehen.
Einerseits verstand er seinen Vater, denn das Chaos in der Residenz war vollkommen überraschend für ihn gekommen. Also war es kein Wunder, wenn er seine Gefühle nicht im Griff hatte. Aber am Ziel würde Vasa dafür sorgen, dass die Verhältnisse, unter denen sein Vater leben dürfte, die denkbar besten waren. Am Geld würde es jedenfalls nicht scheitern. Dann würde sich der Vater schon beruhigen und das Handeln seines Sohnes in neuem Licht sehen.
Erst in letzter Zeit war Vasa aufgefallen, was für ein gebrochener Mann sein Vater tatsächlich war. Wie von selbst drängte sich ihm das Bild aus der Kindheit auf: der stattliche, viel beneidete Offizier mit vielversprechenden Karriereaussichten. Die jugoslawische Armee war sehr einflussreich und stark gewesen, ein Staat im Staat oder auch »der siebte Bundesstaat«, wie man damals sagte. Ihr waren siebzig Prozent des Staatshaushaltes zugeflossen, und sie hatte selbstständig über ihre Angelegenheiten bestimmt.
Dann waren die Kriege gekommen, die Kamikaze-Politik von Slobodan Milosevic und danach die Niederlagen, die dem Vater zusehends schwerer zu schaffen gemacht hatten. Der absolute Tiefpunkt hatte dann in Den Haag auf ihn gewartet, wo er noch den eisenharten Offizier spielte, obwohl es ihm schwer an die Nieren gegangen sein musste. Mit seinen letzten Kräften hatte der Vater den Richtern und seinen Feinden bei der Nato ein starkes Bild von sich geben wollen, wenigstens der zwölf Mitglieder seiner Familie wegen, die von der Nato im Kosovo getötet worden waren.
Auf einmal war Vasa sehr stolz auf sich und seine Operation. Alle zwölf Toten gehörten auch zu seiner Verwandtschaft, zu seiner Familie. Und jetzt wurden sie von sechs Serben gerächt. Das hatte ihn auf die Idee für den Namen der Operation gebracht. 6/12. Außerdem war die Ziffernkombination noch mit dem Datum des finnischen Unabhängigkeitstages identisch.
Vasa lächelte und beantwortete die SMS, die er von Marek aus Polen erhalten hatte: ALLES OKAY. So war es auch. Die kleine Verzögerung war weder für Marek noch für Vasa und seine Leute von Bedeutung. Slobo kam über den Gang des Busses zu ihm. »Wir hätten noch einen Moment in der Residenz warten und Jasmin dorthin bringen lassen sollen«, sagte er zornig. »Schließlich haben wir auch auf deinen Vater gewartet...«
»Jasmin wartet am Flughafen auf uns, da kannst du sicher sein«, unterbrach ihn Vasa erbost. Wie konnte Slobo mit so verächtlichem Ton über den Oberst reden, zumal dieser in Hörweite war!
»Und du sollst nicht trödeln!«, rief Slobo dem Busfahrer zu, der hinter einem Lieferwagen abbremste.
Der Fahrer blickte in den Spiegel und wechselte zum Überholen auf die linke Spur. Auf der Gegenseite kamen ihnen Polizeiautos mit heulenden Sirenen entgegen.
Vasa warf einen Blick auf Slobo. Dessen Benehmen war Besorgnis erregend. Das Gleiche galt für das Verhalten der anderen. Der Glanz des Geldes trübte den Blick und machte sie blind für alles, was darüber hinausging. Torna und Danilo saßen im zweiten Bus, Stanko und Zlatan im dritten.
»Jetzt ruf endlich an!«, sagte Slobo zum wiederholten Mal. Vasa wusste, dass Slobo nicht mehr von Jasmin sprach, sondern von dem, was ihm und den anderen am meisten unter den Nägeln brannte. »Helste?«, fragte Vasa nach, als sich am anderen Ende jemand meldete. »Am Apparat.«
»Zwei praktische Dinge: Die Maschine muss mindestens dreihundert Meter vom Terminal entfernt auf uns warten. Leer und ohne
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