Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
gesagt hat, was er mit seinem Geld anfangen will.«
Zlatan stopfte seinen Pappteller in eine Mülltüte. »Ich kaufe diesen Hof hier«, sagte er trocken.
»Irgendwie verstehe ich, dass du dich hier wohlfühlst.« Slobo blickte sich um. »So düster, wie es hier ist.«
Die Männer grinsten. Keiner traute sich, laut zu lachen, schon gar nicht, weil Zlatan das nicht lustig zu finden schien.
Danilo packte seinen Computer in eine Umhängetasche. »Marek hat seinen Teil perfekt erledigt, obwohl ich zugeben muss, dass ich skeptisch gewesen bin.«
»Vergesst nicht, dass Vasa die ganze Operation geplant und geleitet hat«, merkte Torna an. »Sein Verdienst ist das alles.«
Die Männer nickten zustimmend.
»Vasa«, sagte Danilo verlegen. »Was ich in der Maschine über deinen Vater gesagt habe, nachdem er verwundet wurde ... Ich hab es nicht so gemeint. Die Situation war bloß ... Es tut mir echt leid.«
Vasa seufzte tief. »Bei allen lagen die Nerven blank. Und eine Zwischenlandung hätte tatsächlich die ganze Operation gefährden können...«
»Jetzt ist nicht die Zeit, auf der Vergangenheit herumzureiten«, warf Slobo ein und reichte Vasa die Dose mit dem Haarfärbemittel. Mit Filzstift war VASA auf das Etikett geschrieben worden.
Slobo verteilte entsprechende Sprühdosen an Stanko und Danilo. Außerdem nahm er Brillen mit Fensterglas aus dem Koffer. Zlatan holte im Nebenraum aus einem Versteck unter der Wandverkleidung eine Plastiktüte, die sechs Pässe enthielt. Er schaute in den ersten hinein und reichte ihn Vasa.
»Bitte sehr, Ratko Petrovic.«
Vasa blickte auf den Pass und empfand eine Beklemmung, die er nicht empfunden hatte, als er den Pass zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatte. Damals war alles nur spannend und neu gewesen, fast wie ein Spiel, aber jetzt war es auf ganz andere Art endgültig. Und wahr. In der folgenden Woche würde ein plastischer Chirurg in Malaysia seine Nase, seine Lippen und seine Augenwinkel neu formen. Er hatte keine Zukunft mehr als Vasa. Vasa Jankovic war tot. Vasa Jankovic war nach seiner Mutter, seinem Vater und seinem Bruder Radovan in die Ewigkeit eingegangen. Nur Mila war von der Familie Jankovic noch übrig. Bis ins Mark erschöpft starrte Vasa auf seinen neuen Pass. Von nun an hieß er Ratko Petrovic. Er gab sich Mühe, neue Kraft zu schöpfen, an die Zukunft zu denken, an sein neues Leben, in dem er tun konnte, was er wollte, kaufen konnte, was er wollte. Aber er empfand keinerlei Begeisterung, nicht den geringsten Funken Vorfreude.
66
Der am Flughafen Minsk bei Hertz gemietete Renault Megane fuhr auf der Landstraße in Richtung Mahiljou. Es war still an diesem frühen Morgen in der Nähe des Dorfes Haradski, nur eine Ziege vor einem hellblauen Holzhaus nahm kurz von dem vorüberfahrenden Auto Notiz, ohne dabei ihre gleichmäßigen Kaubewegungen zu unterbrechen. »Bei der nächsten rechts«, sagte Johanna mit Blick auf die Karte, die sie bei der Autovermietung bekommen hatten.
Timo verringerte die Geschwindigkeit. Er blickte in den Spiegel, kein Fahrzeug schien ihnen zu folgen. Am Anfang war er sich nicht sicher gewesen, aber jetzt sah es so aus, als würde man sie wirklich nicht beschatten.
Warum ließen die Weißrussen sie so frei handeln? Oder müsste man eher fragen, warum sie nicht zulassen sollten, dass etwas unternommen wurde?
Timo wusste, dass sie zu zweit nicht viel zur Befreiung der Geiseln tun konnten, falls die Situation in die Sackgasse geriete. Zum Glück würde man die letzten beiden Geiseln wahrscheinlich auch ohne Intervention freilassen. Danach ginge es nur noch darum, den finnischen Präsidenten sicher nach Helsinki zu bringen.
Etwas völlig anderes war es, die Verbrecher zu fassen. Die Chancen dafür waren minimal. Alles hing von den weißrussischen Behörden ab. Vasa betrachtete sich im Spiegel, den er vor sich auf dem Tisch aufgestellt hatte, und kämmte sich die nun sandfarbenen Haare. Er setzte sich eine Brille mit schwarzem Gestell auf, so wie sie Ratko Petrovic auf dem Passbild trug. Schon das Färben der Haare hatte Vasas Aussehen Petrovic ähnlicher gemacht, dabei hatte er ursprünglich geglaubt, die Hilfe eines Friseurs in Anspruch nehmen zu müssen. »Und mein Pass?«, wollte Jasmin von Slobo wissen, der ebenfalls sein Äußeres änderte, um seinem neuen Passbild zu entsprechen. »Mein Gesicht kennen bald alle Polizisten auf der ganzen Welt«, erklärte Jasmin, ohne ihre Nervosität ganz verbergen zu können. »Wo bekomme ich einen
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