Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
Maggot sich nicht vom Fleck rührte, wurde er von zwei anderen Weißrussen an den Ellbogen gepackt, aber Maggot riss sich entschlossen los und ging allein zur Falcon zurück.
Timo wurde zu einem der spartanischen Geländewagen gelotst, damit ging es zum Terminal. Nach wie vor hatte Timo die Glock-Pistole in der Tasche, und er war auch nicht bereit, sie herzugeben. Der Weißrusse führte ihn in das Gebäude hinein, das seine besten Tage schon hinter sich hatte. Drinnen schlängelten sie sich zwischen den normalen Reisenden hindurch. Vor einigen Gates hatten sich lange Schlangen gebildet, Flüge wurden aufgerufen. Von der Landung der entführten Maschine wusste wahrscheinlich kaum jemand etwas. Eine interessante Methode, mit dem internationalen Terrorismus umzugehen, dachte Timo.
Schließlich erreichten sie einen separaten Wartebereich, und dort erblickte Timo eine absurd anmutende Schar Menschen: In Abendkleidern, aber alles andere als herausgeputzt wirkend, lagen sie auf Feldmatratzen oder saßen mit Wolldecken über den Schultern auf Bänken und aßen belegte Brötchen. Man hatte ihnen stapelweise grüne Pullover, Militärjacken und -hosen gebracht, aber den meisten schienen die Kleidungsstücke nicht gut genug zu sein.
Eine Person hatte sich allerdings umgezogen: Johanna. In etwas zu weiter Tarnhose und Militärjacke kam sie Timo entgegen. Ganz intuitiv umarmten sie sich.
»Was ist mit deinem Hals passiert?« Ein Gefühl der Wärme überkam Timo, als er Johanna tapfer lächeln sah.
»Ist nur oberflächlich ... Aber wechseln wir das Thema. Ich verstehe nicht, was die Verantwortlichen hier vorhaben.« Ihre Miene wurde ernst. Der KGB-Vertreter stand noch immer bei ihnen und sprach in sein Funkgerät.
»Sie wollen nichts sagen«, fuhr Johanna fort. »Die Geiselnehmer haben das Flugzeug verlassen und Präsident Koskivuo und den russischen Botschafter mitgenommen. Dann hat die Sondereinheit das Feuer auf den Kleinbus eröffnet, aber anscheinend haben sie nicht getroffen. Was an sich schon merkwürdig ist. Der Bus ist weitergefahren, und offenbar hat ihn niemand verfolgt. Sie wissen, dass ich Polizistin bin, aber sie behandeln mich trotzdem wie Luft. In der Maschine haben wir einem der Geiselnehmer das GPS-Mikro in die Tasche geschmuggelt...«
»Helste hat mir von der Bewegung des Senders berichtet«, unterbrach Timo Johannas Redefluss. »Entweder die Serben haben ihn gefunden und tricksen uns aus, indem sie ihn in die Wallachei wandern lassen, oder aber wir wissen zumindest, wo der Geiselnehmer sich aufhält, der den Sender hat.«
Timo verstummte, da ein grauhaariger, übergewichtiger Mann auf sie zukam.
»Wassili Medwedew, KGB«, sagte der Mann knapp.
Timo und Johanna stellten sich vor, und Medwedew ergriff das Wort: »Es ist bedauerlich, dass wir uns unter diesen Umständen kennen lernen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir zusammen mit der Miliz alles tun werden, um die Entführer zu stellen und die verbliebenen Geiseln zu befreien.«
»Eine der Geiseln ist der Präsident Finnlands«, sagte Timo. »Darum verlangen wir, bei der Verfolgung dabei sein zu dürfen.«
»Das ist unmöglich. Wir können Ihnen ein Hotelzimmer in Minsk besorgen und Sie auf dem Laufenden halten, aber wir können keine Außenstehenden zu operativen Maßnahmen zulassen.«
»Außenstehende?«, fuhr Johanna ihn an. »Soweit ich weiß, bin ich die Einzige, die gesehen hat...«
Timo bedeutete ihr, zu schweigen. »Ich verstehe Ihren Standpunkt«, sagte Timo zu dem Weißrussen. »Wann können wir ins Hotel?« »Das wird gerade organisiert.«
»Wir werden uns jetzt mit Helsinki in Verbindung setzen. Wir brauchen von dort neue Piloten, damit wir die Maschine und die Passagiere nach Hause bekommen.«
Timo trat zur Seite und nahm sein Telefon aus der Tasche. Johanna folgte ihm und hörte, wie er den Polizeidirektor anrief und ihm kurz Bericht erstattete. Anschließend fragte er: »Hat der Peilsender aufgehört, sich zu bewegen?«
»]a. Er befindet sich ungefähr dreißig Kilometer nordöstlich von Minsk. Du bekommst von der Miliz ...«
»Das bekomme ich nicht, wie ich gerade gesagt habe. Die Kerle haben nicht die geringste Absicht, uns irgendwohin mitzunehmen. Ich rufe gleich noch einmal an, sobald ich eine brauchbare Landkarte gefunden habe.«
Timo und Johanna sahen sich an. Beide wussten, was sie tun würden. Verstohlen entfernten sie sich von den befreiten Geiseln und bewegten sich auf die Läden und die Schalter der Autovermietungen
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