Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
der letzten Nacht hatte sich auf zwei Stunden beschränkt, aber trotz der Müdigkeit musste er zur Arbeit kommen. Techniker fühlte sich schmutzig, denn er hatte es nicht geschafft, sich zu rasieren, bevor er seine Wohnung im Stadtteil Kruununhaka verließ.
Es war ein Wunder, dass er überhaupt kurz nach Hause hatte fahren dürfen. Samjatin hätte ihn ebenso gut 24 Stunden am Stück dabehalten können. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Wiktor Samjatin war ein fast 60-jähriger Geheimdienstoffzier der alten Garde, der seine Karriere beim KGB begonnen hatte, aber keineswegs ein Wrack war. Im Gegenteil. Die wachsenden Ressourcen des FSB in den letzten Jahren und die anspruchsvollen Aufgaben hatten ihn mit neuer Energie aufgepumpt. Techniker ging zur Tür und gab seine Codenummer ein. Er war selbst an der Planung des neuen Kontrollsystems für den Botschaftskomplex beteiligt gewesen. Einige im Haus glaubten, er habe eine technische Ausbildung, obwohl er ein waschechter Geheimdienstmann war. Techniker war nur der Spitzname, den er schon in der Grundschule in Krjukowo in Moskau bekommen hatte. Aber er konnte nicht nur Waffen bauen und umfunktionieren, er war auch ein erstklassiger Schütze. Techniker - sein richtiger Name lautete Jegor Rybkin - hielt sich mit einem normalen Diplomatenpass in Helsinki auf und arbeitete zur Tarnung teilweise in der Konsulatsabteilung, wo die meisten Geheimdienstmitarbeiter der Botschaft beschäftigt waren. Er ging jetzt geradewegs ins Zimmer seines Vorgesetzten. Dort hing eine Karte von Helsinki an der Wand, auf der mit unterschiedlichen Farben die Sektoren gekennzeichnet waren, die von Geheimdienstoffizieren gemieden werden sollten. Dazu gehörten verschiedene bewachte Objekte wie Militärgebäude, Ministerien und die Botschaften anderer Staaten. In dem Raum warteten bereits zwei Kollegen von Techniker sowie sein Vorgesetzter. Außer ihm waren sie die Einzigen, die von der sogar innerhalb des FSB geheimen Operation wussten. Sie hatten den Serben genaue Grundrisse des Präsidentenpalastes und des Wirtschaftsministeriums aus dem Fundus des KGB besorgt. Während des Anschlags hatten sie die Kommunikation der finnischen Behörden über das interne Telefonnetz VIRVE und den Funkverkehr der Polizei abgehört, auch den des SK Bär. Dadurch hatten sie Zlatan vor den eindringenden Männern in den Belüftungskanälen warnen können. Jetzt war der Fall für die ¥SB-Residenzura auf dem Botschaftsgelände allmählich erledigt. Doch das Wichtigste stand noch bevor: das Beseitigen der Spuren. Nichts durfte darauf hinweisen, dass sie den Serben geholfen hatten.
»Sie haben einen Russen nach der Kontonummer gefragt«, flüsterte Timo der neben ihm auftauchenden Johanna zu.
»Darum war die weißrussische Polizei so passiv«, murmelte sie. »Abgesehen von der Schießerei. Die passt nicht ins Bild ...« Plötzlich ging ihr ein Licht auf. »Das heißt... Sie haben wahrscheinlich Platzpatronen benutzt. Könnte das möglich sein? Das ist so absurd, dass ich nicht gleich darauf gekommen bin. Ein echter Schusswechsel hätte den Kleinbus beschädigt... Das war alles nur Theater für die Finnen.« Timo nickte. Weißrussland war der letzte treue Befehlsempfänger Moskaus. »Auf dem Flughafen Minsk kamen die Anweisungen von weiter oben«, flüsterte er. »Helsinki wurde mit einer kleinen Aufführung zufrieden gestellt. Und uns beide halten sie für relativ ungefährlich ... Wir brauchen also gar nicht erst zu versuchen, die hiesige Polizei zu Hilfe zu rufen ...«
Plötzlich fuhren beide zusammen. Die Schüsse aus der alten Villa hallten grell im dunstigen Wald wider. Ohne weiter zu zögern, stürmte Timo los. »Die nächste Salve trifft ihr Ziel«, sagte der FSB-Mann mit einer kleinformatigen Uzi-Maschinenpistole in der Hand. Von der Decke, die durch die Schüsse beschädigt worden war, schwebte weißer Staub herab. In Wolodjas Hand war eine Beretta-Mfj-Pistole aufgetaucht. »Gib uns die Geheimziffern!« Der FSB-Mann hielt Stanko die Hand hin. Vasa war bestürzt. Sein Herz hämmerte schwer. Einen Moment zuvor hatte Wolodja noch voller Pathos seinen Vater gepriesen und von der ewigen Brüderschaft zwischen dem russischen und dem serbischen Volk gesprochen, jetzt drohte ihnen derselbe Mann mit der Waffe. Habgier schien eine größere Kraft zu sein als jede Blutsbrüderschaft. Vasa warf einen Blick auf Stanko, der neben Danilo vor dem Computer erstarrt war.
Wieder zerriss eine Salve des Russen die Luft. Diesmal
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