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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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ab und schickte sich an, in die Straßenbahn einzusteigen, die gerade die Haltestelle erreichte. Diese Frau Vahtera konnte nichts Gewichtiges mit ihm zu besprechen haben, sonst hätte sie sich anders verhalten. Die Finnen klopften nur auf den Busch. Natürlich würde die Polizei, wenn sie es wollte, herausfinden, dass Vasa von Helsinki nach Stockholm flog und nicht von Turku aus, aber eine Erklärung dafür wäre nicht schwer zu finden.
    Von der Straßenbahn aus schaute sich Vasa noch einmal den Präsidentenpalast sowie das Häuserviertel um ihn herum und das Straßensystem an.
    Dann meldete sein Handy den Eingang einer SMS. Sie stammte von Torna.
    PROBLEME. TREFFEN 20:00. OK?
    Das würde gerade so hinhauen, denn Vasas Maschine landete am frühen Abend in Arlanda.
    Er konnte sich vorstellen, um welche Probleme es sich handelte. Torna war an diesem Tag in Eskilstuna gewesen und hatte wahrscheinlich gemerkt, dass sich dort etwas verändert hatte. Das würde die Männer nervös machen, keine Frage. Vasa war selbst unruhig und angespannt. Eine halbe Stunde später saß Vasa mit Jasmin auf einer Bank der Esplanade im Zentrum von Helsinki und schlotterte vor Kälte. Cafes oder andere Innenräume waren für ihr Gespräch nicht sicher genug. Die Maschine sollte um 18:00 Uhr Ortszeit den Flughafen Helsinki-Vantaa verlassen, weshalb ihnen auch nicht allzu viel Zeit blieb.
    Jasmin trug wieder die selbst gestrickte Mütze, unter der ihre Locken hervorquollen, und einen Wollmantel. Sie fiel im Straßenbild der finnischen Hauptstadt nicht auf, stellte Vasa zufrieden fest. »Morgen um eins«, sagte Jasmin mit roter Nasenspitze. Sie wollte an einer Führung in der Residenz des Präsidenten teilnehmen. »Darf man dabei Fotos machen?«
    »Nein. Aber von der Residenz gibt es jede Menge Bilder.«
    Sie überreichte Vasa einen Stapel Fotokopien: das Ergebnis ihrer Recherche über das Gebäude und den Empfang am Unabhängigkeitstag. Vasa erklärte Jasmin, worauf sie bei der Führung achten sollte. Als er fertig war, wechselte Jasmin das Thema und sagte besorgt: »Slobo ist immer noch eifersüchtig.« »Hat er Schwierigkeiten gemacht?« »Nein. Aber das macht mir ja gerade Sorgen. Ich meine, dass er mich nicht mit Fragen bombardiert.«
    »Du glaubst, das ist die Ruhe vor dem Sturm?«
    »Er brütet irgendetwas aus. Er sucht keinen Streit, er brütet. Sei vorsichtig.«
    »Er wird die Erklärung für viele Dinge bekommen, sobald ich von meinem Plan berichte.«
    »Mein Anteil an dem Ganzen wird einiges erklären, aber nicht den Anlass für seine Eifersucht. Im Gegenteil.«
    »Gibt es denn Grund zur Eifersucht?«, fragte Vasa und sah Jasmin tief in die braunen Augen.
    »Zumindest ist er der Meinung.«
    »Und welcher bist du?«
    Sie zuckte mit den Schultern und fragte mit vielsagendem Lächeln zurück: »Und du?«
    Bevor sich Vasa über Ursache und Wirkung Gedanken machen konnte, zog er Jasmin fast gewaltsam an sich. Ihr Blick sagte ihm, dass es von diesem gefährlichen Weg keine Rückkehr gab. Ohne sich um die Kälte und die Passanten zu kümmern, küssten sie sich lange.
    Mila trat zwei Schritte auf dem alten, knarrenden Parkett zurück und begutachtete ihr Werk. Seit einer Woche feilte sie daran. Auf dem Bild war im Vordergrund ein Mann zu erkennen, der sich die Hände vors Gesicht hielt. Weit hinter ihm, in einem Tal, sah man in dunklen Farben ein kleines Dorf, aus dem helle Flammen aufstiegen.
    Nachdem sie ihre Arbeit eine Weile betrachtet hatte, trat Mila wieder näher heran, die Hand mit dem Pinsel erhoben, als suchte sie nach einer Stelle, die sie noch korrigieren könnte. Dann warf sie unvermittelt und mit voller Wucht den Pinsel gegen die Leinwand, packte das Bild mit beiden Händen und warf es auf den Boden. Auf den Knien riss sie den Stoff vom Rahmen und zerknüllte ihn.
    Als sie schließlich vor dem zerstörten Gemälde stand, fiel ihr Blick auf das Porträt von Radovan, das an der Wand lehnte. Sie schaute es eine Weile an, dann ging sie zum Regal und nahm ein verstaubtes Fotoalbum heraus. Sie blätterte darin und blieb an einer Aufnahme hängen: Ein sanftmütig wirkender Mann saß hemdsärmelig in einem Garten und hielt ein lächelndes Mädchen auf dem Schoß.
    Mila erkannte das blaue Kleid, das ihr der Vater aus Moskau mitgebracht hatte. Nie war er von einer Reise zurückgekommen, ohne ihr etwas Schönes mitzubringen. Für Radovan, vor allem aber für Vasa war das bitter gewesen. Sie hatten immer nur ein gemeinsames Mitbringsel

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