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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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Mädchen im blauen Kleid, das es nicht mehr gab.
    Mit der Zeit beruhigte sie sich, aber eine pechschwarze Last lag auf ihrem Gemüt. Sie wollte nicht zu Radovans Beerdigung gehen, wo kriegsverrückte Männer mit ihren Gewehren ballerten und Rache ausbrüteten. Aber sie wollte dem Begräbnis auch nicht fernbleiben. Ihr Vater hatte Vasa in die Pflicht genommen, damit er eine Zeremonie im Schatten der Waffen organisierte. Mila lächelte bitter. Jetzt, da sonst keiner mehr da war, war Vasa gut genug, um die Überbleibsel der gedemütigten Offiziersdynastie aufzupolieren. Die Frage war, welche Last Vasa von seinem Vater noch aufgehalst würde.
    Mila trat vor das Bild, das Radovan darstellte. Wen hatte der Bruder als Komplizen für die Befreiung seines Vaters angeheuert? Doch nicht etwas Vasa?
    Erst jetzt fing dieser Gedanke in Milas Kopf zu schwelen an. Bislang hatte sie sich einen ehemaligen serbischen Soldaten als Radovans Komplizen vorgestellt. War es dem Vater und Radovan am Ende doch gelungen, Vasa in die unendliche Spirale der Gewalt hineinzuziehen? Hatte sich deshalb die finnische Polizistin so genau nach Vasa erkundigt? Mila wollte in nichts hineingezogen werden, am allerwenigsten in die Angelegenheiten ihres Vaters und ihrer Brüder. Dennoch merkte sie plötzlich, dass sie nach der Visitenkarte von Johanna Vahtera suchte.
21
    Vasa sah auf die Uhr am spärlich bestückten Armaturenbrett seines Landrovers. Zum Glück war die Maschine aus Helsinki planmäßig in Stockholm gelandet. Die Männer in der Reifenhalle waren wegen der Probleme in Eskilstuna garantiert nervös. Ob sie etwas ahnten? Jetzt galt es, möglichst überzeugend den Unwissenden zu spielen.
    Vasa gab sich Mühe, ruhig und tief zu atmen, während er den Wagen in Richtung Johanneshov lenkte. Er spürte noch immer Jasmins Lippen auf den seinen, Jasmins fordernde Finger in seinem Nacken ... Er musste die unwirkliche Stimmung auf der Parkbank in Helsinki gewaltsam von sich abschütteln. Dennoch erinnerte er sich jetzt deutlich, wie neidisch er gewesen war, als Slobo ihm damals seine neue Freundin vorgestellt hatte. Vasa bereute den Kuss. Die Beziehung musste gleich zu Beginn wieder ein Ende haben. Eigentlich bestand ja auch gar keine Beziehung. Nur einen unvorsichtigen Kuss hatte es gegeben, zu dem ihn die Umstände verleitet hatten. Das war alles. Wenn Slobo davon erführe, wäre der Teufel los. Aber nichts durfte die Operation 6/12 gefährden, dachte Vasa, als er schon ins Gewerbegebiet Johanneshov einbog.
    Auch Radovans Beerdigung belastete ihn. Er hatte beschlossen, bei der Organisation die Anweisungen seines Vaters zu befolgen, obwohl er sich zu dessen und Radovans Kreisen nicht zugehörig fühlte. Noch vor dem Start der Maschine in Helsinki hatte er den Priester in Pristina angerufen, der Rodovan einsegnen sollte.
    Vasa fuhr einige zusätzliche Schlenker über ruhige, schwach beleuchtete Nebenstraßen, um sich zu versichern, dass sich niemand an ihn gehängt hatte. Schließlich parkte er hinter der Reifenhalle neben Slobos Wagen und ging hinein.
    Slobo saß auf seinem Stammplatz, einem alten Ledersessel, und warf ihm einen kalten, gefühllosen Blick zu. Als wüsste er, was in Helsinki geschehen war. Aber das konnte nicht sein.
    »Schlechte Nachrichten«, sagte Torna hinter seinem Tisch mit einer Stimme, die einen Gewittersturm ankündigte. Sein wettergegerbtes Gesicht wirkte noch düsterer als sonst. Die Weinflasche aus Südafrika war neben anderen leeren exotischen Flaschen im Regal gelandet. »Ich habe deine SMS bekommen«, antwortete Vasa, so ruhig er konnte. »Wo hängt's?«
    »Securitas hat die Transportroute und den Zeitplan in Eskilstuna geändert. Und die Bewachung verstärkt.«
    »Warum?«, fragte Vasa und bereute die Frage auf der Stelle. Es war besser, so wenig wie möglich zu reden.
    »Das weiß ich nicht. Wir müssen die Operation aufschieben.« »Verdammte Scheiße!«, brüllte Stanko und hieb vor Wut ein Messer mitten in den Tisch. Auf seinem Handrücken war eine breite Brandnarbe zu erkennen, die sich bis unter den Ärmel fortsetzte. Guerillas der UCK hatten ihn in der Nähe von Dakovica gefesselt in einem brennenden Auto zurückgelassen, und nur das mutige Eingreifen seiner serbischen Kameraden hatte ihm das Leben gerettet. Er trug weder Goldkettchen noch Ringe an diesem Tag. Vasa vermutete, er habe sie wegen der Spielschulden verkaufen müssen.
    »Das war's mit dem Millionending«, sagte Danilo matt.
    »Genau«, bestätigte Vasa.

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