Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
unterdrückte Bestürzung auf dessen Gesicht.
»Gehört Sergej dem GRU an?«, fragte Hellevig.
Die Schweden hielten den Atem an.
»Oleg«, sagte Anatoli mit besonderer Betonung. »Ich will ehrlich zu dir sein. Wir hatten unterwegs tatsächlich ein kleines Problem.«
Oleg trat einen Schritt zurück und sah sich nach seinem Partner beim Toyota um.
»Jonas hat mir gerade erzählt, dass es keine Probleme gab.«
»Oleg, hör mir zu«, sagte Anatoli zu seinem Landsmann. »Zwei Finnen sind uns auf die Spur gekommen. Wir haben die Situation wieder im Griff, aber sie haben Sergej erschossen.«
Olegs Gesicht verdüsterte sich innerhalb einer Sekunde.
»Sind euch auf die Spur gekommen? Warum hat man uns nichts davon gesagt?«
Während er das sagte, machte Oleg langsame Schritte rückwärts zum Toyota. Hellevig wusste, das bedeutete Gefahr. Er sah Steglitz an und ahnte, dass dieser dasselbe dachte wie er: Die Waffen waren im Auto.
»Weißt du was?«, fuhr Oleg fort. »Ich glaube, du erzählst uns Scheißdreck. Ich glaube, dass zwei Schweden Sergej erschossen haben. Und, Claus, ich an deiner Stelle würde keinen weiteren Schritt auf das Auto zugehen.« Im selben Moment stürzten Steglitz und Nykvist zum Vito. Steglitz sprang durch die offene Beifahrertür hinein, Nykvist riss die Schiebetür auf und griff nach der Maschinenpistole auf dem Boden. Kaum hatte er die Waffe in der Hand, spritzte Blut aus seinem Hals.
Der Schuss war aus dem Wald gekommen. Also doch ein Hinterhalt, fuhr es Hellevig durch den Kopf. Er stürzte auf den Vito zu, neben dem Nykvist mit der Waffe in der Hand zu Boden sank.
»Nein«, schrie Anatoli und breitete die Arme aus, wie um die Lage zu beruhigen.
Hellevig rannte einige Schritte und warf sich dann abrollend auf die Erde. Unmittelbar neben sich hörte er eine Kugel einschlagen. Er rappelte sich auf, rannte geduckt die letzten Meter zum Vito in Deckung und riss die Fahrertür auf.
Steglitz lag mit der Maschinenpistole in den Händen im Fußraum. »Fahr, fahr, fahr!«, rief er wie ein Wahnsinniger. Hellevig startete den Motor, und Steglitz ließ das Seitenfenster herunter, erhob sich ein Stück und schoss eine wütende Salve in den Wald. Erst da bemerkte er, dass Anatoli leblos vor der Scheune lag. Der Motor des Vito heulte beim Zurückstoßen auf.
Plötzlich ächzte Steglitz vor Schmerz, und die Waffe glitt ihm aus den Händen. Hellevig bremste und sah, dass Steglitz sich den blutenden Arm hielt. Hellevig wendete um hundertachtzig Grad. Es klirrte, als eine Kugel eines der hinteren Seitenfenster durchschlug.
In vollem Tempo raste Hellevig über den Feldweg, blickte kurz in den Rückspiegel und sah Anatoli aufstehen und ihnen mit wedelnden Armen hinterherwanken. Im selben Moment puffte aus dem Kopf des Russen eine rote Wolke, und er brach erneut zusammen. Der Land Cruiser setzte sich in Bewegung, und ehe die Bäume die Sicht verdeckten, konnte Hellevig noch erkennen, wie ein Mann aus dem Wald gerannt kam, ausgerüstet mit einem Gewehr mit Zielfernrohr und Schalldämpfer.
»Hast du noch einen Treffer abgekriegt?«, fragte Hellevig, während das Wasser einer Pfütze gegen die Windschutzscheibe spritzte. Steglitz hielt sich den blutüberströmten Arm.
Er zog eine Grimasse. »Diese Scheißkerle ...«
»Du musst die Blutung stillen. Nimm deinen Gürtel zum Abbinden.« »Konzentrier du dich aufs Fahren!« Steglitz blickte nach hinten. »Sie kommen hinterher. Und zwar schnell.«
Roni lag unter der Kofferraumabdeckung und wurde heftig hin und her geworfen. Was war passiert? Wer hatte die Schweden angegriffen? Die Polizei? Er hatte die Stimmen von Hellevig und Steglitz gehört, aber wegen des heulenden Motors kein Wort verstehen können.
Er hatte Angst. Er ahnte, dass er selbst versuchen musste, aus der Situation herauszukommen. Und je mehr Angst er hatte, umso stärker überkam ihn das Gefühl, Julia etwas furchtbar Schlimmes angetan zu haben. Er hatte es seinem Vater gegenüber nicht zugegeben, aber dieser hatte ihn auch gar nicht richtig unter Druck gesetzt.
Roni rutschte näher an Kimmo heran, der sich ebenfalls bewegte. Roni drehte sich mühsam mit dem Rücken zu Kimmo und versuchte mit den Fingern nach dessen Händen zu tasten. Seine Hände bewegten sich über das glatte Tape wie schon mehrmals zuvor. Er spannte die Finger an und begann, mit seinen kurzen Fingernägeln an dem Klebeband um Kimmos Handgelenke zu kratzen. Auch das hatte er vorher schon versucht, mehrmals, aber immer wieder
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