Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
aufgeben müssen.
Jetzt konnte er sich das nicht mehr leisten. Hartnäckig machte er weiter, bis er merkte, dass sich eine kleine Ecke des Tapes löste. Er versuchte es mit den Fingerspitzen zu ergreifen und mit aller Kraft daran zu reißen, aber das war schwierig.
Da hörte er, wie von hinten ein Auto näher kam.
Hellevig blickte in den Rückspiegel. Im Regen waren die dunklen Umrisse des Geländewagens zu erkennen, der sich unerbittlich näherte, obwohl Hellevig so schnell fuhr, wie er konnte.
»Jonas, verflucht, hol alles raus aus dem Wagen«, rief Steglitz.
»Wir hätten das ahnen müssen ... Der GRU wollte die Lieferung ohne Zeugen.« Hellevig gab sich alle Mühe, das Auto in der Spur zu halten. Der Geländewagen mit dem russischen Nummernschild kam wie eine Walze hinter ihnen her.
»Wir müssen auf die Fernstraße kommen, bevor sie uns einholen. Das ist unsere einzige Rettung«, sagte Steglitz ächzend und schlang seinen Gürtel um den blutenden Arm. Als er ihn festgezogen hatte, griff er nach der Maschinenpistole im Fußraum.
Oleg Michailow versuchte, den Abstand zum Vito nicht größer werden zu lassen, und schaute auf den neben ihm sitzenden Dima, der gerade mit der Zentrale in Sankt Petersburg sprach.
Oleg hielt das Lenkrad fest umklammert. Der Vito fuhr schnell. Zu schnell. Vor der Fernstraße würden sie ihn nicht einholen. Und dort war das Risiko zu groß.
Sie waren gescheitert. Die Ahnung, betrogen worden zu sein, hatte eine unkontrollierbare Kettenreaktion ausgelöst. Er hatte die Schweden unterschätzt, hatte sich von ihrer Reaktionsgeschwindigkeit überraschen lassen. Die ehemaligen Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes hatten unter schweren Einsatzbedingungen Erfahrungen gesammelt und daher auch jetzt die Gefahr gewittert. Das war wie ein sechster Sinn. Er hätte das begreifen und abwarten müssen, bis die Umladung der Fracht erfolgt wäre. Aber hatten sie überhaupt die echte Lieferung dabei? Was war mit Sergej passiert? War er einem Schwindel auf die Spur gekommen? Oder waren die schwedischen oder finnischen Behörden hinter ihnen her?
Dima legte das Telefon aus der Hand. »Wir brechen ab.«
Michailow hatte das geahnt. Es war die einzige Möglichkeit; auch wenn die Beute enorm verlockend war, schätzte man in Moskau und Sankt Petersburg die Risiken realistisch ein. Trotzdem glich die Entscheidung einem Schlag in die Magengrube. Das Hauptquartier war jetzt über Oleg Michailows Niederlage informiert, und auf ihn wartete die Versetzung zu anderen Tätigkeiten, weit weg von Moskau und Sankt Petersburg.
62
Tero geriet allmählich in Panik. Unverwandt starrte er auf die Abzweigung, die der Vito genommen hatte, und wählte erneut Anatolis Nummer. Warum meldete sich der Russe nicht? Waren Roni und Kimmo bereits im Wald hingerichtet worden? Tero bereute es zutiefst, dem Van nicht weiter gefolgt zu sein.
Aber nein ... Er wäre auf der kleinen Straße unweigerlich bemerkt worden. Plötzlich erschrak er, weil hinter den Bäumen etwas Weißes hervorschimmerte. Kurz darauf erreichte der Vito die Fernstraße. Waren Roni und Kimmo noch an Bord, oder hatte man sie im Wald zurückgelassen, lebendig oder tot? Tero startete den Motor. Er konnte nicht aufs Geratewohl in den Wald hineinfahren, er musste dem Vito folgen.
Er ließ den Van auf die Fernstraße fahren und aus dem Blickfeld verschwinden, wartete einige lange Sekunden ab und wollte gerade in dieselbe Richtung beschleunigen, als ein weiteres Auto von der kleinen Straße auf die Fernstraße fuhr - ein dunkelgrüner Toyota Land Cruiser.
Wo kam der her? Hatte er etwas mit dem Vito zu tun? Tero gab Gas. Der Land Cruiser überholte bereits einen Lastwagen, und Tero trat das Gaspedal ganz durch. In dem Geländewagen saßen drei Männer. Tero kam an eine Schlange aus Lkws und Pkws heran und versuchte, den Vito zu erspähen. Die Fahrzeuge ließen feine Wasserwolken aufsprühen, die im Scheinwerferlicht glitzerten. Tero überholte einen Pkw und drängte sich danach in eine enge Lücke. Der Geländewagen setzte im selben Moment zum Überholen eines Tankwagens an. Tero schätzte blitzschnell die Situation ein und überholte einen Lastwagen mit Anhänger. Er schaffte es gerade so, auf die eigene Spur zurückzukommen, bevor er mit einem entgegenkommenden Lieferwagen zusammengestoßen wäre, der prompt die Lichthupe betätigte. Es folgte ein langer gerader Straßenabschnitt, an dessen Ende Tero endlich den Vito ausmachen konnte. Der Land Cruiser mit dem
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