Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
auch den Vito überlassen.
»Da wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben«, sagte der Polizist ins Funkgerät.
»Na hör mal«, sagte der jüngere Kollege am Steuer. »Auch wenn die Leitung bei der SiPo liegt, kann sie nicht einfach bestimmen, wo wir Streife fahren. Wir haben nun mal zufällig denselben Weg, also behalten wir die Richtung bei. Es mag seltsam klingen, aber allmählich habe ich den Eindruck, dass der blaue Golf da vorne ebenfalls dem Vito folgt. Checkst du mal kurz das Kennzeichen?«
Der Kollege tippte die Nummer in den Computer. »Der Halter ist eine Sicherheitsfirma. Helsinki Security. Das Ganze wird langsam echt interessant.«
Je länger die Fahrt dauerte, umso mehr wuchs die Angst in Tero. Der Vito konnte jeden Moment anhalten oder umdrehen. Tero hatte erneut Toomas angerufen, und der hatte seinen Rat wiederholt: Ruf Anatoli an, droh ihnen, mach ihnen Druck, lass sie spüren, dass es dich gibt.
Tero holte tief Luft, dann wählte er Anatolis Nummer. Es klingelte einmal, zweimal, dreimal, viermal...
»Hallo«, sagte eine misstrauische Stimme mit russischem Akzent. 231
»Hier ist Tero Airas. Ich will mit Hellevig sprechen.« Einige Sekunden verstrichen.
»Gut, dass du anrufst«, sagte Hellevig. »Tero, wir müssen miteinander reden ...«
»Ich rede, du musst nur zuhören. Ich werde der Polizei alles sagen, was ich weiß, wenn du nicht sofort meinen Sohn und den anderen Finnen freilässt.« Tero gab sich Mühe, selbstsicher und entschlossen zu klingen. Er blickte in den Spiegel, von hinten näherte sich ein Krankenwagen mit Blaulicht. »Warum sollte die Polizei dem Vater eines jungen Mannes glauben, der des Totschlags verdächtigt wird? So jemand denkt sich doch alles Mögliche aus, um die Haut seines Sprösslings zu retten.«
Tero schaute auf die Hecktür des Vito vier Fahrzeuge vor ihm. Er musste jetzt sofort etwas Überzeugendes sagen, sonst würde er seine Unsicherheit verraten. Der Krankenwagen überholte ihn mit heulender Sirene. Hellevig hielt beim Fahren das Handy ans Ohr.
»Die Polizei muss nicht nur mir glauben, es gibt noch andere, die Bescheid wissen«, sagte Airas. Er klang aufgeregt. Den Geräuschen nach saß er im Auto. Im Hintergrund hörte Hellevig die Sirene eines Einsatzfahrzeugs. Anatoli telefonierte mit einem anderen Handy ebenfalls. Er ließ sich von Oleg neue, genauere Anweisungen geben.
Hellevig drehte sich kurz um und sah zwischen Steglitz und Nykvist hindurch aus dem Rückfenster. Ein Krankenwagen überholte die Autos hinter ihnen und war kurz davor, auch am Vito vorbeizufahren.
Hellevig drückte das Telefon fest ans Ohr.
Airas war unmittelbar hinter ihnen!
Tero fluchte, als er begriff, was passiert war. Er hörte die Sirene des Krankenwagens über Hellevigs Telefon - also musste Hellevig sie über Teros Handy ebenso gehört haben.
»Ach, so ist das«, sagte Hellevig prompt mit spöttischem Unterton. »Sitzt du in dem Nissan oder in dem Volvo? Sicher nicht in dem Lieferwagen ... Oder im Golf dahinter? Das könnte deiner sein.«
Tero wollte das Gespräch schon wegdrücken, besann sich dann aber. Er umklammerte das Lenkrad und sagte nichts, bereit, jeden Moment zu bremsen oder zu beschleunigen.
»Warte kurz«, sagte Hellevig. Man hörte einen gedämpften, schnellen Wortwechsel, dann sprach Hellevig wieder in den Apparat: »Hör mir genau zu. Wenn du deinen Sohn lebend wiedersehen willst, hältst du jetzt am Straßenrand an. Sofort. Du wirst dann weitere Anweisungen erhalten.« »Nein«, sagte Tero schnell. »Ich will, dass die Geiseln jetzt freigelassen werden.«
»Tu, was ich dir gesagt habe.« Die Stimme klang beängstigend gefühllos. »Das Leben der beiden liegt einzig und allein in deinen Händen. Du entscheidest.« Damit wurde die Verbindung unterbrochen.
Tero ließ die zitternde Hand mit dem Telefon sinken und schlug dann mit der Faust gegen das Lenkrad. Er behielt den Vito, der vor ihm eine Anhöhe hinauffuhr, im Blick und versuchte sich noch einmal zusammenzunehmen. Sollte Roni etwas zustoßen, weil sein Vater trotz wiederholter Aufforderung nicht anhielt, würde er sich das nie verzeihen.
Er bremste und stoppte an einer Fernbushaltestelle. Einige Autos rauschten an ihm vorbei. Mit pochendem Herzen wartete er ein paar Sekunden ab, dann fuhr er weiter. Der Vito war nun außer Sichtweite. Die Schweden hatten keine Möglichkeit herauszufinden, ob er ihnen noch folgte oder nicht. Hellevig schaute zu Anatoli hinüber, der sein Handy in die Brusttasche
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