Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
Arbeit ist.«
8
Kimmo Leivo schaute dem Polizisten in die Augen. Sie saßen in der Wohnung der Leivos im Vantaaer Stadtteil Hakunila, die Lilien auf dem Tisch und die anderen im Zimmer verteilten Blumensträuße dufteten.
Kimmo war müde und verwirrt, zugleich jedoch voller Wissensdurst, aber der Polizist hatte nur spärliche Neuigkeiten zu erzählen. Stattdessen stellte er Kimmo eine Menge Fragen -einige davon waren ausgesprochen dumm und kränkend.
»Was hat die Herkunft meiner Frau mit all dem zu tun?«, fragte Kimmo. »Nichts. Ich frage nur ...«
»Die Mutter meiner Tochter ist Estin, stimmt, aber macht das den Mord irgendwie verständlicher?«
Das Mitgefühl verschwand nicht aus dem Gesicht des Kriminalbeamten, der sich mit dem Namen Sami Rahnasto vorgestellt hatte. »Es geht hier natürlich nicht um Nationalitäten. Wir werden alles tun, um die Person zu finden, die Ihre Tochter getötet hat. Dafür müssen wir alle möglichen Aspekte berücksichtigen. Aber ich lasse Sie jetzt in Ruhe.«
»Nein, machen wir weiter, gerade jetzt«, sagte Kimmo, wobei er sich nur mühevoll beherrschen konnte. »Warum fragen Sie nach Sirje? Was hat meine Frau mit dem Mord an meiner Tochter zu tun?«
»Wie gesagt, ich versuche mir ein Bild vom Hintergrund einer jungen Frau zu machen, die getötet worden ist. Die Tatsache, dass ihre Mutter Estin ist, kann für die Suche nach dem Täter von Bedeutung sein oder eben nicht. Der Täter kann das Opfer gekannt haben, deshalb verschaffen wir uns als Erstes einen Eindruck von der Familie und dem engeren Bekanntenkreis des Opfers.« Rahnastos ruhige, feste Stimme beschwichtigte Kimmo ein wenig. Der Polizist machte einen beharrlichen und professionellen Eindruck, das war gut. »Ich verstehe«, sagte Kimmo leise. »Es ist nur unangenehm, in Dingen herumzustochern, die der Vergangenheit angehören.«
»Wir versuchen derzeit unter anderem, eine Vorstellung davon zu entwickeln, in welchen Kreisen sich Julia bewegt hat. Hatte sie einen Freund?« »Soweit ich weiß, nicht. Im Frühjahr war da mal was, aber jetzt nicht mehr.« »Kennen Sie den Namen? Gab es andere?«
»Roni. Roni Airas. Aber ich glaube nicht...«
»Das ist alles reine Routine. Und andere Personen, mit denen sie zu tun hatte? Gab es da jemanden mit kriminellem Hintergrund?«
Rahnastos Blick war freundlich und überzeugend.
Kimmo seufzte tief. »Falls Sie meinen, ob Julia etwas mit Sir-jes Bruder und dessen Freunden zu tun hatte, dann sage ich: nein. Und Punkt.« Rahnasto reagierte auf die kategorische Aussage in keiner Weise. Stattdessen stand er auf.
»Gut. Ich schätze es sehr, dass Sie bereit waren, in der jetzigen Situation mit mir zu sprechen. Mit Ihrer Frau werde ich einige Worte wechseln, sobald sie dazu in der Lage ist.«
»Sirje ist vollkommen außer sich.« Kimmo stand ebenfalls auf. »Aber wir antworten trotzdem auf jede Frage. Wir sind zu allem bereit, was dazu beiträgt, den Mörder zu finden.«
»Darf ich einen Blick in Julias Zimmer werfen?«
»Selbstverständlich.«
Rahnasto ging in Julias Zimmer und sah sich um. Es war das typische Zimmer einer siebzehnjährigen Gymnasiastin: Poster an den Wänden, viel Krimskrams in den Regalen, Bücher, eine Handtasche neben dem Bett, ein großer tragbarer CD-Spieler auf dem Tisch.
Die Vorstellung, dass die Bewohnerin sich nie mehr nach der Schule hierher zurückziehen würde, war unfassbar traurig. An den gewaltsamen Tod eines jungen Menschen gewöhnte man sich nie, auch wenn solche Fälle immer häufiger wurden.
Nach wenigen Minuten merkte Rahnasto, dass der erste Eindruck trog. Hier hatte möglicherweise gar keine Durchschnittsgymnasiastin gewohnt. Im Regal standen in friedlicher Eintracht Biografien von Rock-Legenden mit beträchtlichem Drogenkonsum neben Büchern zum Thema Globalisierung. Das vermittelte ein widersprüchliches Bild von Julia: Einerseits war sie cool, wie es sich nach außen hin gehörte, andererseits eine neugierige Leseratte. Besonders sprang Rahnasto das Buch ins Auge, das aufgeschlagen auf dem Nachttisch lag. Es enthielt Bilder vom New Yorker World Trade Center und schilderte detailliert die Merkwürdigkeiten, die sich angeblich mit den Ereignissen des 11. September verbanden.
Neben den Postern waren mit Reißnägeln zwei Zeitungsausschnitte an der Wand befestigt. Der eine stellte das antireligiöse Buch von Richard Dawkins vor, der andere zeigte das Bild eines Rennfahrers. Rahnasto beugte sich vor, um die Bildunterschrift zu lesen:
Roni
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