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Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog

Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog

Titel: Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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lediglich gesagt, dass du ein bisschen Urlaub gebrauchen kannst. Und das stimmt ja auch.«
    »Urlaub gebrauchen?« Roni konnte sich kaum noch beherrschen. »Wer braucht hier Urlaub?! Kapierst du nicht, wie leicht so was der Polizei zu Ohren kommen kann? Du sollst einfach den Mund halten, endlich einmal!« Da klingelte Ronis Handy. Der Anruf kam von einer Nummer, die er nicht kannte, mit der Vorwahl 09 für Helsinki. Er zögerte.
    »Melde dich«, sagte sein Vater ruhig.
    Roni meldete sich mit seinem Vornamen.
    Kriminalhauptmeister Rahnasto stellte sich vor und erklärte: »Ich rufe wegen des Todesfalls Julia Leivo an. Stimmt es, dass Sie sie gekannt haben?« Roni spürte, wie seine Kehle trocken wurde. »Stimmt«, sagte er und war sicher, dass es merkwürdig geklungen hatte. Aber wäre das nicht bei jedem anderen auch der Fall gewesen, dessen ehemalige Freundin umgebracht worden war?
    »Wäre es Ihnen recht, wenn ich später bei Ihnen vorbeikomme?« »Natürlich. Wir sind zu Hause.«
    Roni legte das Telefon aus der Hand und schaute seinen Vater an. »Die Polizei kommt hierher.«
    »Gut.« Die besorgte Miene des Vaters stand wieder im totalen Kontrast zu dem Wort, das er ausgesprochen hatte. »Ein Polizist kommt her, stellt seine Fragen und geht wieder. Das war's.«
    »Ach ja? Das war's? Damit gibt sich die Polizei zufrieden?«, fuhr Roni ihn an. Er ging im Fitnessraum hin und her. »Machen wir uns nichts vor. Die Polizei sucht so lange, bis sie den Schuldigen gefunden hat. Da kann ich genauso gut auch gleich die Wahrheit sagen ... Und du auch. Über die Hormone.« Roni hatte keinen Moment daran gedacht, das wirklich zu tun - höchstens als er in der Nacht wach gelegen hatte, war ihm diese Option kurz eingefallen -, aber er wollte seinen Vater testen.
    Dieser trat vor ihn hin. »Nicht jetzt. Wo sind deine Nerven, jetzt, wo du sie brauchst? Du musst dich genauso zusammenreißen wie im Cockpit.« Der verzweifelte Unterton seines Vaters ärgerte Roni. Aber noch mehr wunderte er sich über die Worte seines Vaters. Nicht jetzt. Als würde die Stunde des Geständnisses irgendwann später kommen.
    Roni sog tief Luft ein und stieß sie langsam wieder aus. »Meine Nerven werden halten. Deine hoffentlich auch.«
10
    Kimmos Hand fühlte die glatte Oberfläche der Plastiktüte und darunter das kalte Metall der Waffe. Er zog die Tüte unter dem Holzboden des Plumpsklos heraus und ging ein paar Schritte weiter, um tief die frische Luft einzuatmen. Es war erst fünf Uhr am Nachmittag, aber schon stockfinster. Vom Ufer her hörte man ein leises Rascheln, weil der Herbstwind durchs Schilf strich. Im Fenster des Sommerhauses hatte Sirje eine Kerze angezündet.
    Kimmo ging durch die kalte, feuchte Abendluft zum Auto. Plötzlich wurden seine Schritte langsamer, und Tränen brannten in seinen Augen. Seine Schultern bebten, als sich all der Schmerz und die ganze Trauer ungehemmt entluden. Es war, als hätte er das Weinen vergessen gehabt, als wäre der Schmerz bisher zu schrecklich gewesen ... Großer Gott ... Der Mensch ist nicht dafür geschaffen, so etwas auszuhalten ...
    Er umklammerte die Pistole und ließ die heftigen Wellen der Trauer und Verzweiflung kommen, bis sie nach und nach schwächer wurden. Dann wischte er sich mit dem Ärmel über die Augen und blickte nachdenklich auf die Beretta. Für die Dienstpistole der Helsinki Security hatte er einen Waffenschein, aber die Beretta war nirgendwo registriert. Er besaß sie schon seit mehr als fünfundzwanzig Jahren. Ein Klassenkamerad aus der Berufsschule hatte sie ihm zum Kauf angeboten, und er hatte ohne groß nachzudenken zugeschlagen. Das bloße Wissen um das Vorhandensein der Beretta hatte ihm damals die ersehnte Selbstsicherheit gegeben und dazu einen Hauch von der Welt der echten Männer, wie man sie im Kino sehen konnte, in sein Leben gebracht. Er versteckte die Beretta in der Felge des Ersatzrads, das im Kofferraumboden eingelassen war, und ging ans Ufer. Sirje saß mit aufgestelltem Kragen auf der Terrasse des Sommerhauses und blickte durch die kahlen Birkenzweige hindurch auf den See. Der kalte Wind trieb schwärzliche Wolken über den Himmel.
    Ganz langsam ging Kimmo die Stufen zur Terrasse hinauf.
    »Was machst du eigentlich die ganze Zeit?«, fragte Sirje. Ihre Stimme war vom vielen Weinen heiser geworden.
    Kimmo antwortete nicht. Er hatte vorgeschlagen, zum Sommerhaus zu fahren, damit sie einfach ein wenig aus der Wohnung herauskamen.
    Er ging ins Haus. Die Kerze und das

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