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Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog

Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog

Titel: Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Airas als Zweitplatzierter auf dem Podest in Monza. Der Neunzehnjährige gilt in der nächsten Saison als Favorit für die Meisterschaft in der GP2-Klasse, die von Bernie Eccles-tone und Flavio Briatore als Trainingsklasse und Durchgangsstation für die Formel 1 erfunden wurde.
    Der Fahrer auf dem Bild sah jünger aus, als er war.
    Rahnasto zog Latexhandschuhe an und untersuchte das Zimmer genauer. Er hörte, wie draußen die Wohnungstür geöffnet wurde, und dann die Stimmen einer Frau und eines Mannes, gefolgt von Schritten in der Wohnung und lautem Schluchzen. Rahnasto öffnete den begehbaren Kleiderschrank. Dort standen weitere Bücher im Regal, darunter welche über den Mord an Olof Palme, über die UBoot-Jagd der Schweden, über den Untergang der Estonia und den Abschuss eines DC-3-Aufklärungsflugzeugs. Die Bücher stammten aus der Stadtbibliothek Stockholm und waren anscheinend per Fernleihe bestellt worden.
    Neugierig nahm Rahnasto den Schrank genauer unter die Lupe. Kimmo umklammerte den Brief, den er aus dem Briefkasten geholt hatte. Sirje war nach Hause gekommen und drückte sich fest an ihn. Sie weinte. Nebeneinander gingen sie ins Wohnzimmer, vorbei an der geschlossenen Tür von Julias Zimmer. Kimmo strich den zerknitterten Brief auf dem Couchtisch glatt. Es war ein normales Werbeschreiben, aber adressiert an Julia Leivo. Julia hatte immer verboten, die Reklame ungelesen wegzuwerfen. Auf dem Tisch lag außerdem ein Blatt Papier mit der Telefonnummer einer Hilfsorganisation für die Angehörigen von Verbrechensopfern. Sirje hatte dort lange mit einer Frau gesprochen, die ihren Sohn durch eine Gewalttat verloren hatte.
    Kimmo hingegen hatte das Gefühl, mit niemandem über seinen Schmerz reden zu können, nicht einmal mit Sirje. Irgendwo müsste er Kraft, Hoffnung, Licht schöpfen ... aber wo? Es gab ja nicht einmal ein zweites Kind. Es hatte nur Julia gegeben.
    Er musste sich mit dem abfinden, was noch übrig war: nichts. Er musste sich mit dem Nichts abfinden.
    Dann fuhr er zusammen. »Was tut er jetzt?«, flüsterte er.
    »Der Polizist? Du hast doch gesagt, er sieht sich Julias Zimmer an.« 29
    »Ich meine den Mörder. Was tut er jetzt, in diesem Moment? Wo ist er? Was macht er?« Kimmo ballte die Fäuste.
    »Du musst von deinem Hass loskommen ...«
    Die Tür von Julias Zimmer ging auf, und Rahnasto trat noch ernster und empathischer als zuvor ins Wohnzimmer. Er stellte sich Sirje vor und sprach ihr sein Beileid aus, konnte ihr aber nicht die Hand geben. Er trug noch die Latexhandschuhe und hielt einen weißen Briefumschlag zwischen den Fingern.
    »Wissen Sie über Julias Geldangelegenheiten Bescheid?«, fragte er. »Welche Geldangelegenheiten?«, wunderte sich Sirje.
    Kimmo starrte auf das Kuvert in Rahnastos Hand.
    »Haben Sie eine Vorstellung davon, warum Julia unter dem untersten Regalfach in ihrem Schrank siebentausendvierhundertsechzig Euro versteckt hatte? Oder wo sie das Geld herhatte?«
    Kimmo und Sirje sahen einander bestürzt an.
9
    Tero ging angespannt die betonierte Kellertreppe hinunter. Die laute Musik, die als undeutliche Kakophonie heraufdrang, ärgerte ihn.
    Als Roni klein war, hatte er im Keller eine Werkstatt gehabt, wo er alles Mögliche gebastelt und gebaut hatte. Tero war Ronis Kindheit oftmals im Geiste durchgegangen, aber von Gewalt war der Junge immerhin verschont geblieben. Tero konnte sich nicht erinnern, dass Roni jemals auch nur eine Kopfnuss von ihm bekommen hätte, von einer Abreibung ganz zu schweigen. Seit er in seiner eigenen Jugend auf die falsche Bahn geraten war, verabscheute Tero jegliche Gewalt. Und bei seiner Arbeit hatte er so viel davon gesehen, dass er nicht einmal Lust hatte, Filme anzuschauen, in denen Blut floss. Er hätte auch nicht gewollt, dass Roni sich so etwas ansah, aber natürlich hatte es der Junge trotzdem getan und außerdem viel zu oft Ballerspiele am Computer gespielt. Aber das taten alle Kinder. Tero hatte versucht, auf den vorgeschriebenen Altersgrenzen zu bestehen, doch das war ein aussichtsloser Kampf gewesen, da sich die Eltern einiger Freunde kein bisschen darum geschert hatten.
    Tero dachte ungern an das eine Mal zurück, als Roni - im Alter von vielleicht zwölf Jahren - mit seinem Freund in ein Kriegsspiel vertieft gewesen war und plötzlich geschrien hatte, dass einem das Blut in den Adern gefror: »Ich knall dich ab! Ich schieß dir den Kopf vom Hals!«
    Damals hatte Tero eingegriffen, den Computer ausgeschaltet und die Jungen aus

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