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RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

Titel: RENAS VERSPRECHEN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Kornreich Gelissen , Heather Dune Macadam
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hier drin in der Falle sitzen? Der ganze Bau zittert, und wir sind in diesem kleinen Schlupfloch zusammengepfercht. Erinnerungsfetzen nehmen in meinem Kopf Gestalt an - unsere erste Nacht in Auschwitz, der Transport aus der Slowakei.
    „Hast du Angst?“ Dankas Stimme verankert mich in der Gegenwart.
    „Nein“, lüge ich sie an und versuche, der Panik Einhalt zu gebieten, die sich in meinen Atem stiehlt, ich lege meinen Arm um sie und ziehe sie dicht an mich heran. Doch mein Herz klopft so laut, da ss ich die Seiten tausche und sie an meine rechte Brustseite drücke, wo sie es nicht spürt.
    Ich wiege sie wie ein Baby in meinen Armen. Ihre Augen su chen nach Bestätigung, als sie ihre Arme um meinen Nacken schlingt. Der Boden unter uns rumpelt. Meine Beine werden weich, haben Mühe, uns beide aufrechtzuhalten. Keine bewegt sich. Ein Mädchen wird ohnmächtig, dann noch eins. Drau ss en hören wir einen lauten Schlag.
    Stille.
    Und wenn das Gebäude über uns nun zerstört worden ist, und wir lebendig begraben sind? Sie werden uns nicht retten. Wir sind Gefangene - Abfall. Keiner wird uns aus diesem Grab herausholen.
    In unserer Falle verlieren wir jedes Gefühl für Zeit und Raum. Niemand spricht. Niemand regt sich. Wieder wird ein Mädchen ohnmächtig, ihr Körper schlägt dumpf zu Boden. Unter meinen Kleidern stellen sich mir die Haare auf.
    Stille. Die Zeit steht still.
     
    Wir hören Schritte drau ss en. Ein Schlüssel kratzt am Schlo ss . Licht zuckt über unsere geweiteten Pupillen und zwingt sie, sich rasch zusammenzuziehen. Wir zucken zusammen. Benom men und geblendet kämpfen wir uns aus unserer Zelle. Jedes Mädchen klammert sich an eine Freundin, als wir uns auf schwachen Beinen über die Treppe hoch ans Tageslicht kämpfen. Auf dem ganzen Gelände kreischen Krankenwa gen- und Luftschutzsirenen. Wie gelähmt starren wir aus den Fenstern.
    Block Fünf ist weg, plattgedrückt bis zur Unkenntlichkeit. Sanitäter rennen hierhin und dorthin, tragen Bahren. Verzwei felt arbeitet die SS daran, ihre Soldaten aus den Trümmern zu holen, aber keiner kann gerettet werden, alle Braunhemden sind tot. Ich stehe am Fenster und kämpfe gegen die Tränen an, die mir in den Augen brennen. Es tut mir leid, da ss der Soldat, der uns das Brot gegeben hat, tot ist. Ich kann nicht verstehen, warum ich so bei einem deutschen Soldaten empfinde, aber ich tue es. Ich verberge meine Trauer. Ich liebe die Deutschen nicht. Ich hasse das, was sie getan haben - tun - mir, meiner Schwester und meinem Volk, aber ich verstehe nicht, warum jemand, der so freundlich zu uns war, sterben mu ss . Ich verste he nicht, warum überhaupt jemand sterben mu ss . Das macht alles gar keinen Sinn.
     
    Die Bombenangriffe machen uns alle verrückt; plötzlich sieht es so aus, als könnte der Krieg eines Tages aufhören, und wir sind voller Erwartung, was wir jedoch hinter der Maske unse rer Knechtschaft verbergen müssen. Jusek, einer der Männer, die in der Lederfabrik arbeiten, wechselt eines Tages beim Vor beigehen ein paar heimliche Worte mit Danka. Alles ist ganz unschuldig, nur das, was in der freien Welt vorkommen kann, wenn die Menschen Hoffnung verspüren. Wir gehen in die Wäscherei, ohne weiter darüber nachzudenken.
    Aufseherin Mullenders schleicht hinter uns rein. Ihre Augen bekommen einen heimtückischen Ausdruck. „Deine Nummer ist dran!“ Sie sieht Danka direkt an und geht dann hinaus.
    Dankas gerötete Wangen werden bla ss . Sie lehnt sich gegen die Wand und schlägt die Hände vors Gesicht.
    „Vielleicht droht sie nur, da ss deine Nummer auf der Liste steht.“ Ich versuche meine kleine Schwester zu trösten, doch ich habe Angst. Mullenders zeigt sich uns gegenüber nicht nachgiebig. Sie ist grausam.
    „Was wird geschehen?“ Danka will von mir einen Finger zeig sehen. „O Gott, was wird mit mir passieren?“
    Ich antworte nicht. Ich wei ss es nicht.
    An diesem Abend gehen wir mit unserem Brot und dem Tee in den Block. Wir setzen uns wie betäubt auf die Koje und versuchen, unser Essen hinunterzuwürgen. Die Kehle ist wie zuge schnürt. Auf der anderen Raumseite herrscht ein Wenig Aufre gung, aber wir achten nicht darauf. Meine Gedanken rasen. Was kann ich tun, um Danka zu retten?
    Dina setzt sich zu uns auf die Koje und teilt uns sachlich mit: „Danka wird nicht angezeigt werden.“
    „Ich werde nicht angezeigt?“
    „Nein. Alle sind mit einem kleinen Schmuckstück einge sprungen, eine hatte sogar eine Uhr. Wir haben die

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