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RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

Titel: RENAS VERSPRECHEN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Kornreich Gelissen , Heather Dune Macadam
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Sandpapier. Auf ihrem Weg vom Nacken zu meiner Stirn sch neiden und kratzen die Schermes ser in meine Haut und rei ss en mir das Haar vom Kopf. Ich grabe die Fingernägel tiefer in meinen Arm und kämpfe dagegen an, da ss Tränen über meine desinfizierten Wangen rinnen. Nur verheiratete Frauen rasieren sich den Kopf. Unsere Traditio nen, unser Glaube werden durch ihre Handlungen verächtlich und lächerlich gemacht. Sie rasieren unsere Köpfe und Arme; selbst unsere Schamhaare werden genauso schnell und brutal entfernt wie der Rest unserer Körperbehaarung. Wir werden geschoren wie Schafe und dann wieder in den Bottich mit der Infektionslösung getrieben. Meine Haut brennt wie Feuer. Ich frage mich, ob ich jetzt, da die Feuerprobe be standen ist, mei ne Jacke und meinen Rock wieder bekomme. Sie können sich doch unmöglich noch mehr einfallen lassen - was kommt jetzt noch?
    Ein Mädchen schreit.
    Da steht ein langer Tisch mit einem Offizier dahinter. Er hat Gummihandschuhe an, und da sind noch andere Männer, die das Mädchen festhalten. Wieder höre ich sie schreien. Ich habe keine Ahnung, was er tut, aber ich wei ss , da ss ich nicht möchte, da ss er das auch mir tut. Es gibt zwei Reihen, die eine, in der ich bin, die sich auf den Tisch mit dem Mann und seinen Handschuhen zubewegt, und die Reihe, die in die Gegenrich tung schaut. Blut tropft der Mädchenfrau über die Schenkel, als sie von dem Mann mit seinen Handschuhen weggeht. Se kundenschnell wäge ich die Konsequenzen des Handelns gegen die Konsequenzen des Nichthandelns ab - ich drehe mich rasch um und stelle mich in die andere Reihe. Dies ist mein e erste Leistung in Auschwitz: K einer nimmt an mir eine gynäko logische Untersuchung vor.
    Die weiblichen deutschen Häftlinge, die uns offensichtlich übergeordnet sind, werfen uns wollene Uniformen zu. Die Uniformhemden tragen vorne russische Abzeichen. Wir tasten sie ab, versuchen dann, sie anzuziehen, stellen aber schnell fest, da ss sie den meisten Frauen zu gro ss sind. Neben mir steht eine gro ss e F rau, der die Hose zu kurz ist. „Hier, zieh meine an“ , biete ich ihr an. Wir tauschen. Um uns herum machen es die anderen Frauen genauso und versuchen etwas zu finden, was nicht an ihnen herunterrutscht. Als ich mir die Hose ohne Unterwäsche über meinen Körper streife, zucke ich zusammen. Ich schnüffle an meinem dunkelgrünen Wollhemd und mir wird übel von dem feuchten Stoff. Es gibt keine Knöpfe, um das Hemd zuzumachen, aber Löcher und rotbraune Streifen und Flecken. „ Sie haben diese Klei der nicht einmal gewaschen!“, bemerke ich. Ich überlege, ob ich den Schmutzfleck, den ich ertaste, wohl später auswaschen kann. Aber das ist kein Schmutz. Es ist klebrig. Es riecht sü ss lich. Mein Magen dreht sich. Ich starre auf d ie Frauen um mich herum, die be reits angezogen sind. Noch feucht von der Desinfekti onslö sung, sind sie einfach dankbar, etwas auf dem Leib zu haben. Wie ich auch, bemerken sie es nicht sofort, geben sich lieber dem Glauben hin, da ss der Stoff von Motten und nicht von Kugeln zerfressen worden ist. Sie sehen nicht, da ss die Flecken nicht Schmutz oder Schlamm sind, sondern Blut. Wir sind wie Lämmer, die zum Schlachten ge führt werden und eins dem an deren hinterherlaufen, weil wir es nicht besser wissen. Trotz des sü ss sauren Geruchs verkrusteten Bluts und der an meinen Brustwarzen scheuernden Wolle, ziehe ich schamhaft das Hemd über meiner Brust zu. Was wird jetzt kommen?
    Im letzten Raum liegt ein Haufen voller Holzscheiben mit Lederriemen daran. Das sollen Schuhe sein. Wieder versuchen wir einander zu helfen, ein passendes Paar zu finden, aber sie sind gar nicht paarweise angefertigt. Sie sind nicht einmal dafür gedacht, da ss Menschen sie tragen. Ich tripple aus dem Gebäude hinaus auf die Lagerstra ss e und nehme meinen Platz ein. Wir stehen in ordentlichen Fünferreihen, kahl, praktisch barfu ss und tragen die Uniformen toter Männer. Es fängt zu nieseln an.
    „Aufstellen!“ Der Drill wieder holt sich, ist schlicht und ein fach. Wir sind zu nichts anderem fähig als Befehle auszu führen. „Marsch!“ Noch immer besessen von einem falschen Schamgefühl, drückt meine eine Hand das stinkende Hemd an den Körper, zieht die andere die Hose hoch, di e mir über die Hüften rutscht: S o marschiere ich.
    Unbeholfen stapfen wir mit unseren Fü ss en, versuchen, nicht zu stolpern oder unsere Sandalen zu verlieren. Wir gehen an den ersten vier Blocks vor bei, ehe

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