RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
wir bei Block Fünf ein biegen. Wir sind so sehr dami t beschäftigt, unsere Kleidungs stücke nicht zu verlieren, da ss wir den Raum gar nicht wahr nehmen, in den wir geführt werden. Die Tür fällt zu und ein Riegel rastet von au ss en ein. Wi r sind gefangen, stehen fast ei ne über der anderen auf blutigem Stroh. Bettwanzen springen uns an, unsere Körper werden schwarz. Wir halten uns die Kleider übers Gesicht; sie springen auf unsere kahlen Köpfe, unsere Hände, auf jedes frei e Stückchen Haut. Im Stroh krie chen Läuse hungrig zwischen unsere Zehen.
Zu lange sind wir ruhig gewesen. Plötzlich befällt uns der Drang, uns Luft zu machen. Wir rennen an die Tür und hämmern unentwegt darauf ein. „ La ss t uns raus! La ss t uns raus!“ Mit beiden Händen schlagen wir auf die Wände un seres Gefängnisses ein. „Das kann doch nicht sein!“, kreisc hen die Stimmen um mich herum. „ Bitte, la ss t uns raus. Wir haben nichts angestellt. Das mu ss ein Irrtum sein. Helft uns!“
Ich beobachte die Qual, die mich umgibt. Wir haben zu spät revoltiert. Es ist kein Irrtum. Ich schlie ss e mich der Masse der betrogenen Mädchen an und klopfe gegen die Eichentür der Ungerechtigkeit. Es vertreibt die Gedanke n. Alles ist bes ser, als sich den Tatsachen auf dem Boden und unter unseren Fü ss en zu stellen.
Ich will nicht mehr wachsam sein. Ich bin es l e id, in dieser Verzweiflung die Sonne aufgehen zu sehen. Die jungen Frauen um mich herum spiegeln meine Gedanken; mein Gesicht mu ss so dem Untergang geweiht aussehen wie die ihren. Der Dreck, der Gestank, das Gebell der Wachhunde aus der Ferne - es ist zu viel. Die ganze Nacht kauere ich auf dem Fu ss boden, er schöpft und doch auf der Hut. Über vier Tage waren wir ohne Wa sser, ohne Nahrung, ohne irgendetwas. Ich kann nicht ein schlafen, doch es gibt einige, denen es gelingt. Sie fallen in die Bewu ss tlosigkeit und brechen dabei auf dem Fu ss boden zusam men, bekommen die stechenden Bisse dieser entsetzlichen Wanzen nicht mehr mit.
Die Tür zu Block Fünf öffnet sich um vier Uhr morgens. Ich verharre noch immer da, wo sie mich zurückgelassen haben, mit weit offenen Augen, hellwach. Wir drängeln uns in Reih und Glied und marschieren zum Anwesenheitsappell. Während wir gezählt werden, stehen wir schweigend da, können nicht ausscheren aus unseren ordentlichen und disziplinierten Fünferreihen. Ich wende den Kopf nicht. Ich rühre meine Fü ss e nicht vom Fleck. Ich möchte mich kratzen, wo ich gebissen wurde und wo die Wolle meine nackte Haut reizt. Mein Daumen zuckt an mein Bein; das ist die einzige Bewegung, die ich mir erlaube.
Man teilt uns in zwei gleich gro ss e Gruppen auf. Man gibt uns einen Becher für unseren T ee, aber es gibt nicht genug Be cher; manche Frauen teilen sich einen, aber sofort gibt es Streitereien, und einige Becher verschwinden. Wir marschieren in Block Zehn. Es ist schon später Vor mittag, als wir endlich ei nen kleinen Becher voll eines t eeähnlichen Getränks, ein Stück Brot und ein Klümpchen Margarine bekomm en, das sie uns in die Handfläche schmieren. Ich sehe, da ss alle ihr Essen rasch in sich hineinschlingen, zu schnell für ihre zusammenge schrumpf ten Mägen. Manche stellen sich wieder an, weil sie sich mehr erhoffen, doch es gibt ke inen Nachschlag. Für ihre Unver schämtheit werden sie geschlagen. Ich kaue mein Brot und streiche langsam meine Margari ne darauf, als wäre es ein rich tiges Essen. Der Tee schmeckt seltsam, aber das ist mir egal . Ich schlürfe ihn langsam, zwinge mich dazu, den Vorgang in die Länge zu ziehen, rede meinem Körper ein, da ss er satt ist und genug zu essen da ist.
Am ersten Tag reinigen wir Block Zehn von innen. Ich bewege mich ganz benommen, halte mein Hemd zu und meine Hose fest, während ich Staub wische, fege und wasche. Wir er ledigen unsere Aufgaben. Ich bin einfach nur dankbar, nicht mehr in dem Gebäude mit all seinen Wanzen und Läusen sein zu müssen. Man kann nur beobachten und ler nen. Die Deut schen sind schlecht organisiert. Dies fällt mir sofort auf, aber das hat nichts zu bedeuten - organisiert oder nicht, ich bin ih nen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Noch mehr junge Frauen kommen ins Lager marschiert, und ich verbringe den ganzen Nachmittag damit, zuzusehen, wie sie aus den Baracken kommen, kahl und in Uniformen wie ich. Bei den vielen, die ankommen, kann ich mir nicht vorstel len, da ss Danka den Transporten lange entgeht. Als ich am Zaun stehe und die
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