RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
mit unserer zweitägigen Erfahrung als Gefangene essen unser Brot langsam und trinken den Tee als die kostbare Rarität, die er ist. Unsere Becher haben wir am Bund festgemacht, und die Löffel stecken in den Taschen, während die neuen Frauen sich um diese Utensilien streiten. Wir erfahrenen Gefangenen haben gesehen, wie die Neuankömmlinge zu Elza gingen, um nach einem Becher oder mehr zu essen zu fragen und dafür geschlagen wurden. Wir wissen, da ss wir rechtzeitig zum Anwesenheits appell aufstehen müssen; wir ha ben schon gesehen, wie Schl äfer geschlagen wurden. Wir ler nen schnell.
Am dritten Tag sehe ic h den Mann, der mir am Abend da vor sein Brot gegeben hat. Er nickt mir zu. Ich habe ein Stück Papier organisiert und darauf gekritzelt: „ Danke für die Nach richt. Warum töten sie die Russen? “ Ich versuche den Stein über die Mauer zu werfen, treffe a ber daneben. Es braucht drei An läufe, ehe es mir schlie ss lich gelingt, ihn in hohem Bogen über den Elektrozaun zu werfen, wo er vor seinen Fü ss en landet. Ich wende den Kopf ab und tue so, als wäre nichts. Dabei sto ss e ich einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, da ss keiner mei nen armseligen Versuch einer Kommunikation mitbekommen hat.
Vor Block Eins steht eine neue Schlange gutgekleideter Frauen, die gerade aus den Zügen gestiegen sind. Auf der anderen Seite der Baracke kommt eine Reihe gerade erst ent menschlichter junger Frauen in russischen Uniformen heraus. Mein Herz schlägt schneller. Mit zusammengekniffenen Augen blinzle ich gegen die Sonne, suche nach einem Gesicht in der Menge, das mein Herz schon lange vor meinen Augen erkannt hat. [4]
„Danka!“ Ihr wunderbares rotbraunes Haar ist ver schwun den, aber ihre braunen Rehaugen können sie ihr nicht nehmen und auch nicht ihr hübsches Gesicht. Es juckt mich in den Ar men, sie festzuhalten. Wenn ich sie nur berühren könnte, wü ss te ich, da ss ich sie nie wieder loslassen werde, doch ich kann nichts machen, denn ein Mann mit einem Maschinengewehr und ein Hund bewachen die neuen Gefangenen. Meine Fü ss e bleiben stehen, zwingen mich zu warten, doch ich sehe sie, und in diesem Moment des Erkennens, finde ich meinen Grund und meinen Willen zu leben.
Es gibt einen Augenblick allgemeiner Verwirrung, als die neuen Frauen durcheinanderlaufen. Ich nutze diese Chance und schlie ss e mich ihrer Reihe an.
„Danka!“ Ich packe ihre zarten Schultern. S ie sieht mir ei nen Augenblick lang in die Augen, entsetzt und verängs tigt an gesichts dieser Fremden. Der Klumpen in meinem Magen wird fest - sie erkennt mein Gesicht nicht. Dann wirft sie schluch zend ihre Arme um meinen Hals. „Rena!“ stammelt sie.
„ In d ie Reihe! Bewegt euch!“, schreit die SS.
Ich schiebe meinen Arm unter ihre Schultern, damit sie nicht in Ohnmacht fällt.
„ Wann hast du zuletzt etwas gegessen?“
„ Ich wei ss es nicht mehr. Ach, Rena, es war so furchtbar. Es waren so viele Menschen im Zug. Wir sa ss en aufeinander, und jemand, der neben mir sa ss , ist gestorben. Es war unglaublich.“ Ihr Gesicht macht mir Angst. Ihre Augen schauen ins Leere.
„Warum bist du hierhergekommen?“
„Weil du hier bist.“ Ihre Stimme ist so naiv, so jung.
„ Was willst du da mit sagen?“
„ Unsere Freunde wollt en mich auf einem Bauernhof ver stecken, aber ich hatte deinen Brief, und ich habe ihnen gesagt, da ss ich mit meiner Schwester arbeiten gehen möchte. Du bist alles, was ich habe, Rena.“
„ Du hättest nicht kommen sollen, Danka. Wir hätten in der Slowakei bleiben und uns v erstecken sollen. Dies hier ist schlimm ... wirklich schlimm.“
„Marsch! Aufstellen!“ Die Blockältesten treiben uns in die Reihe, damit sie die neuen Gefangenen in Block Fünf bringen können.
„Komm mit.“ Ich schubse sie hinter den anderen her und gehe hinüber zu Elza. „ Meine Schwester ist gerade angekom men, u nd sie ist so hungrig und müde.“ Ich bettle. „ Sie hat seit Bratislava nichts mehr gegessen. Bitte, Elza, la ss sie in unsere n Block! Ich habe Angst um sie.“
„ In Ordnung, deine Schwester kann in deiner Koje schla fen.“ Wir haben Glück, Elza hat heute ein Herz. „ Du kannst mir helfen, das Brot auszuteilen, und für deine Schwester be kommst du eine Extraration.“
Ich frage nicht, was aus dem Mädchen werden wird, die ne ben mir schläft; ich wei ss bereits, da ss man nicht fragt. Mag sein, da ss ich eigennützig bin, aber ich habe eine Schwester, die ich am Leben halten möchte,
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