RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
Tür zu unserem Block. Wir strecken der Blockältesten unsere Becher hin und bekommen von ihr eine Kelle Tee. Wir treten in die Dunkelheit. Unser Atem, der dem Tee entsteigende Dampf sehen aus wie mitten unter uns schwebende Gespe nster und Phantome. In der Hoff nung, da ss er uns von innen wärmt, schütten wir hastig den Tee hinunter, aber die Kälte zehrt an unseren Muskeln.
Die vom Nebel gebildeten Lichthöfe der Scheinwerfer leuchten über unseren Köpfen. Es ist schaurig, wie in einem Gruselfilm. Schaudernd frage ich mich, wo das Monster sich versteckt hält. Ich wei ss nicht, ob ich wegen der Morgenkälte, des Mangels an Schlaf und Nahrung oder aus erbärmlicher Angst die Kontrolle über meine schlotternden Knie und klappernden Zähne verloren habe.
Die SS geht eine Reihe nac h der anderen ab und zählt unse re Köpfe. Anscheinend brauchen sie so lange dafür, weil sie Notizen aus Listen vergleichen. Sie sind sich über ihr Tun nicht im Klaren.
„ Ich mu ss auf die Toilette, Rena“ , flüstert Danka.
„ Das ist nicht erlaubt. Du hättest vor dem Appell noch gehen sollen.“
„Ich kann’s nicht ändern.“
„ Du mu ss t war ten, bis der Appell vorbei ist.“ Die Wirk lich keit ist grausam. Sie pre ss t ihre Beine zusammen.
„Stellt eure Trupps zusammen!“, befiehlt ein SS-Mann. Die Aufseherinnen kommen zu uns und mustern uns eingehend. Ich nehme Dankas Hand und führe sie zurück zu unserem Block, wo Elza auf der Treppe steht.
„ Lä ss t du bitte meine Schwester hinein, Elza? Sie mu ss auf d ie Toilette, sie hat Durchfall.“
„ Das darf ich nicht. Du wei ss t, da ss nach dem Appell keiner mehr in den Block kommt. Das sind die Bestimmungen! Au ss erdem haben die Raumältesten schon die Toilet ten saubergemacht.“
„ Bitte, Elza. Du wei ss t, da ss man sie schlagen wird, wenn sie sich vollmacht.“
„Das ist mir egal.“ Ihre Augen starren mich an, verbieten mir, mich mit ihr zu streiten.
„ Sie mu ss aber jetzt!“ Ich p acke Elzas Schultern und schüttle sie. „Wie kannst du nur so sein?“ Ich nicke Danka zu, hin einzulaufen, während ich unsere Blockälteste ab lenke. „Hast du denn keine Mutter?“, krei sche ich. „ Keine Schwester? Bist du aus Stein? Wie kannst du - chh! “ Die Worte verfangen sich in meiner Kehle, als mir der Atem abgeschnürt und mein Hals nach hinten gezerrt wird und ich keine Luft mehr bekomme. Ich werde herumgeschleudert, falle hart zu Boden und sehe nur noch das rot anlaufende Gesicht einer SS-Frau, ehe ihre Stiefel meine Rippen finden.
„ Du Schei ss jude!“ Ich rei ss e meine Arme hoch ans Gesicht, meinen kostbarsten Besitz. Sie trommelt auf meine Schenkel und meinen Rücken ein, aber ich schreie und weine nicht. Ich habe in den letz t en paar Tagen genügend Mi ss handlungen gesehen, um sie nicht noch anzustache l n, indem ich sie bitte auf zuhören. Stoisch ertrage ich ihren Angriff, einen Fu ss tritt nach dem anderen. Als sie endlich aufhört, krieche ich auf die Knie und warte, da ss mir jemand aufhilft. Danka ist von der Toilette zurückgekehrt und weint ohne einen Laut. Meine Beine sind von blauen Flecken übersät, meine Rippen schmerzen, ich kann kaum atmen, aber ich habe mein Gesicht bewahrt, und nach ein paar Minuten kann ich wieder laufen.
Wir stellen uns dort in die Reihe, wo noch keine Mädchen ausgewählt wurden. Eine Aufseherin zeigt auf uns. „ Ihr da! Stellt euch hie r auf!“ Ich packe Dankas Hand und ziehe sie mit mir. Wir treten hinter der Aufseherin an. Sie mu ss gesehen haben, wie ich geschlagen w urde, und ich wundere mich, warum sie uns ausgewählt hat . Noch nie zuvor bin ich geschlagen worden, und ich verberge meine Augen vor Scham, der Aufseherin ins Gesicht zu sehen. Ich komme mir so klein und unbedeutend vor. Ich fühle mich völlig wertlos.
„Marschiert raus!“ Der Neb el hebt sich. Wir folgen den an deren Gruppen durch das Tor, auf die Felder zu, zur Arbeit. Wir versuchen zu marschieren, müssen dabei aber schlurfen, um unsere sogenannten Schuhe an den Fü ss en zu behalten. Manche Mädchen halten noch immer ihre Hosen hoch ; man che, wie ich selbst auch, müssen ihre Hemden zuhalten. Der Wind bohrt sich durch die Schu ss löcher unserer Uniformen.
Es zieht am Knie und am Herzen. Ich wünscht e, mir würde nicht alles so weh tun. Nach drei Tagen blo ss en Sauberma chens und Sorgens harte ich gedacht, Arbeit wäre ein e will kom mene Abwechslung. Ich möchte ihnen zeigen, was ich für eine harte Arbeiterin bin
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