RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
und wie stolz eine Bauerstochter auf ihre Kraft sein kann. Mir tut alles weh.
„Wie geht’s dir?“, schaffe ich es schlie ss lich, Danka zu fra gen. Ich wei ss , da ss die Sorge um sie meine Gedanken vom klopfenden Schmerz meiner Blutergüsse ablenken wird. Sie nickt, hat Angst zu antwort en. Ein SS-Mann geht an uns vor bei. Das sind die im Nebel versteckten Ungeheuer, unsere in Grau gewandete Nemesis. Sie sind überall.
„ Halt! “ Vor uns liegt ein Haufen aus Sand, Schmutz und Steinen. Unsere Auf seherin erteilt den Befehl: „ Ihr siebt diesen Sand durch diese Netze und lad et ihn auf diese Lore. Schnell!“
Wir holen uns Schaufeln aus dem Unterstand und fangen dann an, in der steinigen Erde zu graben und sie durch das Netz zu werfen. Es dauert nicht la nge, und unsere Hände be ginnen zu schmerzen und unsere Schultern tun uns weh. Unverzüglich bilden sich Blasen, und fast genauso schnell platzen sie auf und machen die Schaufelgriffe glitschig. Ein junges Mädchen stützt sich einen Moment lang auf ihre Schaufel, um Luft zu holen. Die Peitsche knallt durch die Luft und trifft sie an der Wange. Ihr Schrei kommt ungewollt. Entsetzt widmet sie sich mit neuer Kraft ihrer Aufgabe, und auf ihrer Wange zeichnet sich ein blutiger Striemen ab. Für den Bruchteil einer Sekunde tausche ich mit Danka einen Blick; wir werden keine Pause machen.
Wenn die Lore voll ist, müs sen wir sie den Hügel hochschie ben, wo wir den Sand dann zu einem Haufen aufschichten. Wir stellen uns auf, vier an jeder Seite des Förderwagens. Die Räder sind aus Stahl und für Eisenbahnschienen gedacht. Wir stemmen uns gegen das kalte Metall und drücken den Waggon mit aller Kraft nach vorne. Wir kommen nur langsam voran, aber als wir einmal in Schwung gekommen sind, können wir die uns gestellte Aufgabe bewältigen. Nachdem wir die Karren abgeladen haben, schieben wir die Waggons relativ mühelos wieder den Berg hinunter und fangen wieder von vorne an. Bis Mittag haben wir schon viele Fahrten hinter uns.
Männliche Gefangene bringen einen riesigen Gu ss eisenkessel aufs Feld. Die anderen Trupps kommen zum Kessel, und wir stellen uns für das Mittage ssen auf. Hungrig und darauf er picht, Zeit zum Essen zu haben, drängeln Danka und ich vor wärts. Die Aufseherinnen teilen aus. Die Portionen sind mager. In der trüben Tiefe des Wassers lassen sich ein paar versteckte Gemüsebröckchen erahnen, aber die Schöpfkelle berührt diese nicht einmal. Das Suppe zu nennen, ist vermessen; es ist nicht einmal Steckrübenbrühe.
„ Morgen werden wir uns hinten anstellen“ , sage ich zu Danka.
„Warum?“
„ Weil die Wahrscheinlichkeit, ein Stück Fleisch oder Steckrübe zu bekommen grö ss er ist, wen n weniger Wasser im Kessel ist.“
Wir schlürfen unser Mittagessen langsam, um das wenige auszukosten, und weil wir hoffen, da ss es uns die Energie gibt die wir zum Weitermachen benötigen. Mein Gehirn setzt sich mit diesen fremden Umständen auseinander. Einen Augenblick lang erlaube ich mir, meinen Gedanken nachzuhängen. Was wir hier machen, ist Sklavenarbeit. Doch diese Vorstellung will ich nicht hinnehmen. Vielleicht wird es besser werden. Ich bin einfach nur hungrig. Vielleicht geben sie uns heute A bend, nach einem harten Arbeitstag, mehr zu essen. Wir arbeiten auf ein Ziel hin - auf die Freiheit. Wir helfen den Deutschen beim Bau von etwas. Diese Rechtferti gungen, wie winzig und unbe deutend sie auch sein mögen, helfen mir aufzustehen, mich in die Reihe zu stellen, mit meiner Arbeit fortzufahren.
Der Nachmittag schleppt sich dahin, und das Wetter wird immer schlechter, bis das stetige Nieseln in Schneere gen über geht. Der Boden wird wie Zement und klebt an den Rädern unserer Waggons, und als es kälter wird, friert das Metall, an dem wir uns festhalten, an unsere Haut. Peitschen knallen über unseren Köpfen und landen manchmal wie stechende Wespen auf unseren Rücken. Wenigstens haben wir Wollhemden, die uns vor der Witterung und den Peitschenhieben schützen. Wie ein Pfluggespann treibt man uns an. Beim Waggon schieben verliert ein Mädchen ihren Schuh. Unsere Aufseherin zieht sie rasch aus der Reihe, ehe der Wagen seinen Schwung verlieren kann. Das Mädchen sucht im Schmutz nach ihrem Schuh, und danach bekomme ich nicht mehr mit, was mit ihr geschieht. Wir haben selbst Schuhe, auf die wir aufpassen müssen.
Irgendwann am Nachmittag, als der graue Himmel über uns dunkel wird, hören wir den gesegneten Befehl: „Halt!
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