RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
nicht das Sterben allein, vor dem sie Angst hat, doch ich bin mir nicht sicher, von weic her Furcht sie besessen ist. „ Wov or hast du denn wirklich Angst?“
„ Auf den Lastwagen geworfen zu werden “ , ge steht sie. „ Sie behandeln uns wie verdorbenes Fleisch ... Ich möchte nicht einfach weggeworfen und auf Pritschen wagen abtransportiert werden ... Ich mu ss immer an das denken, was Erna gesagt hat. Vielleicht gibt es nicht genug Gas, und ich mu ss lebendig ins Krematorium ... Was ist, wenn sie Gas sparen wol len?“
Diese Frage kann ich ihr nicht beantworten. Ich kann ihr keine Versprechungen oder Versicherungen geben, da ss genug Gas vorhanden sein wird, uns zu töten, wenn wir den letztendlichen Bestimmungsort aller Gefangenen von Auschwitz-Birkenau erreichen. Ich kann es ihr nicht versprechen, weil ich meine Schwester nicht belügen kann, aber eins kann ich ver sprechen.
Alle um uns herum schlafen, doch da ohnehin ein ständiges Gemurmel ist, achtet keiner auf uns - es ist ganz normal, Stim men und Schreie in der Nacht zu hören.
„ Setz dich auf, Danka. Komm schon, setz dich. “ Ich strecke dir meine Hand entgegen . „Du siehst meine Hand hier.“ Ich leg e ihre Hand in me ine und sehe ihr in die Augen. „ Unsere Eltern stehen hier vor uns, und meine Hand ist das Heilige Buch, und au f diesem Buch und vor unseren Elt ern schwöre ich dir: Von heute an werde ich dir folgen, wenn du selektiert wirst, egal wie. Ich schwöre, da ss du nicht allein auf die Last wagen steigen wirst.“
Es ist pechschwarz in den Blocks, aber ich kann fast sehen, wie Licht in die Augen meiner Schwester zurückkehrt, als ich ihr dieses Versprechen gebe. Erschöpft lasse ich ihre Hand los, und wir fallen zurück auf das kalte Holz und ziehen unsere Decke eng an unsere Körper. Der Schlaf kommt schnell und trägt uns in ein Land, das keine Schatten kennt.
Beim Mittagessen am nächsten Tag stellt Danka sich an und nimmt nach vielen Monaten ihre erste ganze Portion Suppe entgegen.
Ich zittere unter der dünnen D ecke, die uns schützen soll. Irgend etwas Eisiges berührt meinen Körper. Schaudernd versuche ich, in den tröstenden Schlaf zurückzufinden. Ich hasse die Ratten, die zwischen unseren Körpern umherwandern und alles annagen, was sic h nicht wehrt. Ich zucke mit meinen Fü ss en; das ist eine automatische Reaktion auf das Gesinde l , das nachts über unsere Fü ss e klettert. Wieder spüre ich den Druck und presse mich dagegen. Im Kampf, ein paar Augen blicke des Vergessens herauszuschlagen, bei ss e ich die Zähne zusammen. Das Eis brandmarkt mich. Unwillkürlich strecke ich meine Hand aus, um das Gewicht wegzuschieben, das auf mir liegt, doch ich schaudere zurück, a ls ich merke, da ss ich menschliche Haut berühre. Der Körper ist hart, ohne jede Wärme, ohne jedes Leben.
Die Raumältesten beginnen mit dem Morgenritu al, schla gen mit ihren Stöcken an die Regale, schreien jeden an und schlagen jeden, den sie erwischen.
„ Geht nach drau ss en und holt euch euren Tee. “ Ich schiebe Danka zur Tür „ Heute werde ich die Decke z u sammenlegen.“
„ Warum? “, fragt sie unschuldig.
„ Geh nur, Danka. La ss mich das machen. Wir sollten uns beim Bettenmachen abwechseln. Heute bin ich dran. Geh schon, ich komme dann nach. “ Ich warte, bis sie drau ss en ist.
„ Kann jemand mir helfen, diese Leiche hinauszutra gen?“ Keiner will mir zur Hand gehen . Ich kann ihre Furcht verste hen, aber ich will keine Schläge bekommen, weil ich die Leiche nicht weggebracht habe Ic h klopfe auf eine knochige Schulter neben mir und fra ge: „ Kann st du si e bitte an den Fü ss en an packen?“ Sie nickt zögernd und hilft mir dann, die L eiche vom Brett herunterzuheben „Ich werde an der Tür Ha lt machen, ich möchte nicht, da ss meine Schwes ter das sieht.“
Danka steht mit dem Rücken zu mir, so tragen wir die Leiche hinaus und legen sie ans Ende der Reihe für den Anwesenheitsappell, wo man sie wie auch uns zählen wird. Mir verlangt danach, meine Hände zu waschen, aber dafür ist jetzt keine Zeit; ich mu ss mir meinen Tee holen und mich neben Danka einreihen, bevor der Appell anfängt. Ich wische meine Hände mehrmals an der Hose ab, versuche das Gefühl kalten Fleisches aus der Erinnerung meines Körpers zu kratzen. Wir arbeiten den ganzen Tag, und immer wieder scheuere ich mei ne Hände m it Schm u tz un d wische sie dann an meiner Woll hose ab, um die Aura des Todes, die ihnen immer noch an haft
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