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RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

Titel: RENAS VERSPRECHEN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Kornreich Gelissen , Heather Dune Macadam
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terhalten, oder auch schweigen. Ich bleibe bei ihr, wei l ich wei ss , da ss sie zu früh vom Feuer weggeh en wird, wenn sie müde ist, und ich möchte sichergehen, da ss die Hitze die Schwefellösung in ihre Haut eindringen lä ss t. Ich komme mir vor wie Mama, a ls ich meine Schwester bemuttere, nur da ss es diesmal keine Decken gibt, in die ich sie wickeln kann, und keine Flanellschlafanzüge. Der Schwefel riecht streng, aber bei den Körperger üchen, mit denen wir ständig le ben, fällt es gar nicht so auf. Ich meine, da ss es besser für sie ist, wenn sie den Balsam den ganzen Tag über dranbehält, ehe wir ihn abwaschen.
    „Wie werden wir das abwaschen?“, will Danka wissen.
    „Ich werde unsere Becher nehmen müssen, um dich abzuspülen, Danka.
    „Ich werde aus meinem nicht mehr essen können, wenn du das tust.“ Schon bei dem Gedanken, packt sie das Entsetzen.
    „Warum nicht?“, möchte ich fragen. „Was ist daran so schlimm?“ Aber ich halte den Mund. Ich möchte es nicht riskieren, dass sie sich wieder weigert, zu essen. „Wir werden meinen Becher nehmen“, schlage ich vor. „Und ich werde deinen bis zum Sonntag mitbenutzen, bis ich meinen ordentlich auswaschen kann.“
    „Das ist gut.“ Am nächsten Abend hole ich etwas Wasser und spüle meiner Schwester die Tinktur vom Körper.
    „Sie ist weg, Danka.“
    „Wirklich?“ Sie mustert ihre Haut und ist erleichtert. Mamas Engelsgesicht schwebt am Rande meines Blickfelds; ich bin dankbar, dass die Wunden sich nicht entzündet haben.
     
    Vier Uhr morgens.
    „Raus! Raus!“
    Wir kriechen von den Planken herunter . Unsere Schuhe haben wir bereits an, denn wir ziehen sie nie aus. Wir stell en uns in ordentlichen Fünferreihen an und schlurfen unse ren pisswarmen Tee . Eine frische Schneeschicht liegt schimmernd auf dem Gelände und vermittelt die Illusion, da ss alles sauber ist . Doch diese Fantasie wird nicht lange vorhalten. Sobald die S S mit dem Zählen anfängt und wir die R eihen ve rlassen , um uns bei unseren Arbeitseinheiten anzustellen , wird der Boden wieder zu dem gefrorenen grau-braune n Matsch werden, den wir gewohnt sind. Unter den Stiefeln der SS bricht das Eis ein, als sie unsere Reihen abmarschieren und zählen, zählen, zählen. Vorurteilsfrei vermengt sich unser Atem mit dem ihren in der Luft; die letzten paar Schneeflocken die aus den Wolken herabfallen, legen sich ohne Unterschied auf unsere Augenlider. Ich stampfe mit den Füssen, um meine noch schlafenden Zehen zu wecken und zu verhindern, dass sie beim Stehen und Warten einfrieren. In den zwei Stunden des Anwesenheitsappells hat der Himmel sich nicht verändert, Wintertage sind so kurz, dass wir im Dunkeln losmarschieren und heimkehren.
    Als ich durch den Schnee trample, um mich zu Emma zu stellen, werfe ich einen Blick über das Meer von Mädchen, die sich ihren Arbeitseinheiten anschliessen, und erkenne darunter meine Cousine Gizzy. Auch sie sieht mich an. Wir winken einander zu, aber keine lächelt.
    „Gizzy ist hier“, flüstere ich Danka zu. „Ich werde sie heute Abend nach der Arbeit suchen.“ Danka nickt schweigend. Zum Sprechen ist es zu kalt.
     
    Gizzys Block zu finden, ist nicht schwer. Als ich mit meinem Brot in der Hand ankomme, liegt sie schon und schläft fast. Ihr Atem geht keuchend und schwach. Sie ist krank. Ich grabe die Reste meine r Fingernägel in die Handflächen, weil ich erst Mut finden muss, weiterzumachen.
    „Gizzy? Ich bin’s, Rena… deine Cousine.“ In ihren Augen flackert ein Erkennen.
    „Rena?“
    „Wie geht es dir?“
    „Nicht so gut.“
    „ Wie lange b ist du schon hier? Wo ist Cili? “
    „ Wir hatten uns versteckt. Sie konnte fliehen ... mich haben sie gekriegt . .. “ Sie zieht die Decke hoch über ihre Schultern. „ Es ist so kal t.“ Ich kann ihr kei ne Antwort gen en. Ihre Füsse ragen unter der Decke wie zwei riesige Blaue Ballons hervor. Dem Fleisch entsteigt ein Geruch. Ich versuche, nicht einzuatmen. „Ich habe schlechte Nachrichten für dich, Rena …“ Sie scheint ihre Beine gar nicht wahrzunehmen.
    „Welche?“
    „Schani ist tot.“ Sie stockt. „Es tut mir leid, dass ich die Überbringerin einer so traurigen Nachricht bin, aber ich dachte, du solltest es wissen. Er sprang auf dem Weg hierher aus dem Zugwaggon, und sie haben ihn erschossen.“
    Es ist, als fiele ich in ein tiefes Loch. Was für eine Verschwendung von Menschenleben. Schani Gottlobb, was für ein reizender Mann. Mein Verlobter. Gizzy hat

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