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RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

Titel: RENAS VERSPRECHEN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Kornreich Gelissen , Heather Dune Macadam
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wie der Tag, an dem wir Mama und Papa zurücklie ss en. Mama winkt am Ho rizont. Ich starre auf die Zäune, die Stacheldrähte, die Türme, aber Mama ist da und winkt mir von jenseits dieses Gefäng nisses zu. „ Hilf u ns, Mama, bitte. Gizzy ist tot.“ Der Wind nimmt mir meine Worte ab, überlä ss t sie der wachsenden Dun kelheit in meinem Herzen. Schmerz und Licht. Doch der gol dene Schein ihrer Laterne sc haukelt über die Stra ss en und Hü gel von Polen, und ich wei ss , sie wartet darauf, da ss wir heil zurückkommen.
    Danka steht vor mir. Ihre Augen senken sich tief in meine Seele, werden erschüttert von deren schweigender Trauer. Sie wei ss . Sie sagt nichts. Sie führt mich zu Emma. Ich kann nicht aufhören zu zittern, doch ihre Hand drückt die meine und gibt mir den Mut weiterzumachen.
    „Marschiert los!“ Wir trampeln durch den Schnee, hinaus durch die Tore der Hölle, hinaus zur Arbeit.
     
    E s ist So nntag, aber kein Ruhetag: W ir werden ra siert. Wir ziehen uns aus. „ Nehmt eure Nummern von euren Jacken, damit man sie an euren neuen Uniformen an bringen kann!“ Diese Ankündigung ruft einige Aufregung hervor. Es sind nun fast neun Monate, seit wir diese Kleidungsstücke tragen, und noch länger, seit sie gewaschen wurden. Gern entledigen wir uns des Gestanks und des Kratzens unserer wollenen Jacken und Ho sen, die Unterwäsche verstecke n wir für später. Wir werden ra siert und wegen der Läuse desinfiziert. Nackt und frie rend ste hen wir in dem Bottich mit der grünen Flüssigkeit.
    Noch vor Nässe triefend warten wir in der Schlange auf blau-grau gestreifte Kleider. Wir ziehen diese rau hen, unbeque men Uniformen über unseren Kopf. Sie sind scheu ss lich, billig gearbeitet und steif wie Pappe. Sie haben keine Taschen. Wie können wir die harte Arbeit in Kleidern machen? Doch ich v ergesse - es kümmert sie nicht.
    Danka und ich sind glücklich, weil wir die Unterwäsche haben, die Erna uns besorgt hat. Zu diesen Kleidern gibt es keine Trikothosen oder Strümpfe, und so fegt der Wind unsere Beine hoch und bei ss t wie Eis-Dämonen an unseren Schenkeln. Das Sackleinen scheuert auf neue und grausame Weise an unserer Haut. Wie soll uns in diesen Kleidern warm bleiben?
    Wir haben uns zum Appell auf gestellt und warten, da ss wir gezählt werden. Sie wandern die Reihen auf und ab, zählend, schlagend, schreiend. Danka tritt von einem Fu ss auf den ande ren, und ich werfe ihr einen raschen Blick zu. Ihr geht es gut, sie hat nur Schmerzen und Hun ger wie ich. Meine Finger st recken sich nach ihrer Hand aus, um sie zu beruhigen. Ihre Finger berühren meine. Das ist unser Melderitual. Wenn es möglich ist, schicken wir einander jeden Morgen diese stille Botschaft - ich bin in Ordnung.
    Heute stehen wir in der vordersten Reihe. Das ist unüblich; normalerweise versuchen wir u ns hinten oder in der Mitte ein zureihen, versteckt und anon ym. Es fällt schwerer, Beobach tungen anzustellen, und wir sind kaum vorbereitet, wenn wir als erste dem ausgesetzt sind, was auch immer sie Vorhaben mögen.
    In der Ferne sehe ich eine Kolonne auf uns zukommen. Noch nie zuvor habe ich jemand auf dieser Stra ss e kommen se hen. Mein Geist ist aufgewühlt, als ich überlege, wer heute in der Hölle Einzug hält. Ihre Fü ss e versuchen zu marschieren, aber es ist keine Glanzleistung. Ein Raunen geht durc h unsere Reihen: „ Sie haben ein jüdi sches Waisenhaus geleert.“ [15]
    Die SS hat ihre Gewehre geschultert. „Marsch!“ Ihre Befeh le peitschen durch die trockene Morgenluft. Mir bleibt das Herz stehen. Meine Augen konzentrieren sich auf die Kolonne. Hunderte von winzigen Kind erfü ss en marschieren hintereinan der an mir, meiner Schweste r und allen Frauen im Lager vor bei. Manche vergraben ihre kle inen Gesichter in ihren Spielsa chen , drohen an der Füllung dieser leblosen Trostspender zu ersticken. Die J üngeren halten sich an den Händen der älteren Kinder fest. Ihre Augen starren uns gro ss wie Untertassen, verloren wie Lämmer an. Tief drinn en in unserer Reihe ist ein trä nenvoller Seufzer zu hören. Ist es eine Mutter; die an ihr eigenes liebes Kind erinnert wird?
    Mit ihren Unschuldsgesichtern schauen sie verwundert auf die Zäune, die Gebäude, die Erwachsenen. Halten sie uns für Verrückte, wie ich das getan hatte, als ich an fangs hierher kam? Wundern sie sich, warum so viele Erwachsenen, die alle wie ihre Mamas und Papas ausse hen, nichts tun, um sie zu be schützen? Haben sie Angst?
    Mir

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