RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
bleibt der Mund offen. Ic h ertrage es nicht, dies mitan zusehen. Ich kann mich nicht abwe nden. Das kann doch nicht ihr Ern st sein? Warum sollte irgendwer kleine Kinder töten wollen? Wie lange wird es dauern, bis sie ersticken? Werden sie vor Angst schreien, ohne da ss einer sie tröstet?
Die SS fü hrt sie zu de n Gaskammern. Puppen und Plüsch tiere fest an sich gedrückt, schlurfen sie in Fünfer rei hen vorbei, bewacht von SS-Männern mit ihren Hunden und Gewehren. Was denken sie denn, da ss diese Kinder tun werden - fliehen? Revoltieren? Doch es ist eine Bestimmung, da ss der Weg zur Gaskammer jedes M al von SS-Männern bewacht wird, die alle fünf Reihen auf jeder Seite der Kolonne Posten beziehen, und Bestim mungen werden eingehal ten. Sie wollen keinen dabei haben; sie wollen nicht, da ss die Wahrheit bekannt wird. Wir kennen die Wahrheit. Es hat la nge gedauert, bis sie vorgedrun gen ist, aber es gibt keinen Irrtum mehr - Beweis sind die ra uchgeschwängerte Luft und das l eere Gelände nach einer Se lektion. Doch sie wollen nicht, da ss ihr Vorhaben gestört wird. Die D eutschen haben ein Sprichwort: „Befehl ist Befehl.“ Sie kleben an ihren Bestimmungen.
Ich s t ehe da wie ein Geist. Ihre kleinen Engelsgesichter, die wei ss en Knöchel ihrer winzigen Hände verfolgen mich. Ich kämpfe gegen meine Tränen, meine Wut an. Mein Herz schreit: Aufhören! Hört mit dem Wahnsinn auf! Es sind kleine Kinder! Ich bei ss e die Zähne aufeinander und schlie ss e die Augen.
„ Gott? “ Ich sage kaum mehr „Gott“ , doch der Wider schein ih rer Gesichter in meinem Herzen lä ss t es mich noch ein letztes Mal versuchen und beten: Gott, der du bist mein Gott, und an den ich glaube. Strecke nur ei ns dieser Monster zu Boden. Zer schmettere nur einen dieser SS-Männer anstatt dieser Kinder deiner Kinder. Tust Du das, Du dem ich gehorche und an den ich mit meinem ganzen Herzen glaube? Ich habe am Sabbat nie auch nur einen Pfennig in der Hand gehalten, und seit ich al t genug dazu war, habe ich an Jom Kippur immer gefastet. La ss nicht zu, da ss dies geschieht. Gib uns ein Zeichen, da ss du diese Kinder, die Kinder Israels, nicht verlassen hast. Um mein Leid geht es nicht. Die Zeit zählt nicht, die ich hier verbracht habe. Kümmere dich nicht um all das, was ich gehört habe über Leute, die man verbrannt und vergast hat, all das, was ich selbst gesehen habe und nicht glauben wollte, da ss es wahr sein kann. Kümmere dich nicht um mich. Was aber ist mit diesen lieben Kindern? Ihretwegen zeig ihnen, da ss du unser Gott bist, und töte nur einen dieser Nazis.
Meine Hände sind zorngeballte Fäuste, die ich an meine Schenkel presse. Ich d rücke die Augen zusammen und halt e die Vision eines Blitzes fest, der die Wachen in ihren korrekten und ordentlichen Reihen trifft. Kein einziger von uns Erwach senen kann aufstehen, diese Kinder zu retten, nur göttliches Eingreifen kann jetzt dafür ein treten: Bitte, Gott...
Sie verschwinden in der Fe rne, nähern sich den Gas kam mern. Me in Herz schreit, sie mögen anhalt en. Jemand geht an mir vorbei, bleibt stehen. Ihre Fü ss e knir schen auf der Schot terstra ss e als sie einen Schri tt zurück tritt, um in unsere schmerz erfüllten Gesichter zu schauen. Ihr hei ss er Atem trifft auf mei ne Wange. Mi ss trauisch öffnen sich meine Augen der kalten Grausamkeit des von Ha ss erfül lten Blicks. Ihre sauberen Stie fel, ihre glatte, glänzende Haut stehen vor u ns in vollkommener arischer Überlegenheit. Sie hat unsere Qual gesehen; hat meine Gedanken gelesen.
In dem Augenblick, als ich ihre Stimme höre, wei ss ich, da ss Religion nie mehr sein wird wie zuvor. Ich werde noch beten, werde versuchen zu glauben und mich zu Gott zu bekennen, aber ich werde nie mehr so rein und ernst sein wie früher. Ihre Lippen schie ben sich nach hinten zu einer Grimasse, die si cherlich ein Lächeln sein soll . Ihre Worte sind rauh und abge hackt wie Maschinengewehrschüsse; sie schie ss en uns nieder.
„Wo ist euer Gott jetzt?“ Mir schwinden die Kräfte.
Es kommt keine Antwort.
Wir füh len uns elend. Der Anwesenheitsappell nimmt kein Ende. Arbeiten wäre eine Erlei chterung, alles, was unsere Ge danken von diesen Kindern ablenkt, doch hier gibt es keine Erholung. Rauch steigt au s den Kaminen. Der Gestank bren nenden Fleisches, der Geruch kleiner Kinder; die verbrannt werden, lä ss t meine Nase erschaudern. Die Sonne verschwindet hinter einer Wolke aus Grau.
Wenn schon die
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