RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
Kinder nicht gerettet werden kön nen, wel chen Sinn hat es dann überhaupt noch, für etwas zu beten? Hasses Stimme quält meinen schwankenden Glauben, verfolgt mich mit jedem Atemzug.
„ Wo ist euer Gott jet zt?“
Mein Geist schwindet... Ich wei ss es nicht.
„ Was ist los mi t dir, Rena?“ Tagelang habe ich ins Lee re ge starrt und mich dahingeschlep pt, weil ich die mich verfolgen den Engelsgesichter nicht abzuschütteln vermochte.
„ Hast du sie gesehen? “, frage ich Erna.
„Wen?“
„Die Kinder“ - mir versagt die Stimme – „Hunderte.“ Wenn ich diesen gro ss en Schm erz zulasse, kann ich nicht wei terleben, doch es ist eine frische Wunde, noch nicht verkrustet von der Gef ühllosigkeit, die ich mir angeeignet habe.
„ Ich habe davon geh ört.“ Sie legt ihre Hand auf mei ne Schulter. „ Fela und ich werden bald in eine andere Einheit kommen. Wir werden nicht mehr miteinander re den können.“
Ich nicke. Ich werde meine Freundin vermissen, aber ich möchte keine Arbeit in ihrer neuen Einheit haben. Sie spricht nicht darüber, und ich frage nicht, aber ich wei ss , da ss es keine Arbeit ist, die ich tun könnte.
„Wir werden dich vermissen.“
„ Ihr mü ss t raus aus Birkenau oder wenigstens in ein Kommando, das drinnen arbeitet. “
„Werden wir.“
Sie geht. „ Ich bes uche dich, bevor wir gehen.“ Ich versuche ein Lächeln. Sei tapfer - noch eine Überlebensregel.
Ein paar Tage später winkt Erna mir zu, sie an der Latri ne zu treffen. „ Ich habe was für dich. “ Sie greift an ihren Saum.
„ Erna, du mu ss t aufhören, dein Leben auf s Spiel zu setze n, indem du mir Sachen bringst.“
„ Ja, aber wir ziehen morgen um, und dies hier werden die letzten Geschenke sein, die ich dir machen kann.“ Sie nimmt meine Hand und gibt mir etwas Langes und We iches und etwas sehr Kleines. „ Ich wei ss , wie sauber und ordentlich du bist. “
Rasch werfe ich einen Blick in meine Hand. Da liegen eine Nagelfeile und ein kleiner Silberelefant. „Sie sind wunderschön.“ Ich bin überwältigt von ihrer Gro ss zügig keit. „ Der Anhänger sah so aus, als gehörte er einem Kind, und ich habe dabei an dich gedacht “ , flüstert sie. „ Elefanten bringen Glück, hei ss t es. Ich möchte nicht , da ss es an die Deutschen geht.“
„Dank’ dir , Erna. Ich werde sie immer zu schätzen wissen. “ Mir schie ss en die Tränen in die Augen, ehe ich sie unterdrücken kann. Wir umarmen uns flüchtig, aber wir sagen nicht auf Wiedersehen, das sagt man nicht in Auschwitz-Bir kenau.
Ich verstaue die Schmuckstücke in meinem Kleidersaum, ehe ich mich von der Latrine entferne. Der Silbe relefant ist ei ne Erinnerung an die Kinder, die ich auf ihrem Weg in den Tod beobachtet habe. Es ist das einzige, was von ihnen übrigblieb - ein winziger Grabstein in me iner Hand. Während der Selektio nen lege ich ihn mir unter die Zunge, damit ich ihn auf den Boden spucken kann, wenn ich ins G as mu ss oder zu Tode ge prügelt werde. Ich habe geschworen, da ss dieser kleine Kinderanhänger nie in Nazihände fallen soll, da ss er überleben soll, selbst wenn ich es nicht tue.
Als wir am Sonntag auf der Pritsche sitzen, hole ich die Nagelfeile hervor. Sie ist aus Perlmutt, und unter einer Radierung steht „Budapest“. Ich verstecke sie in meiner Hand, halte die Feile zugedeckt, so da ss es aussieht, als hielte ich meine Hände umklammert, und fange an, meine Nägel zu reinigen. Es ist ein erhebendes Gefühl, nach so langer Zeit im Schmutz wieder einmal saubere Nägel zu haben. Diese einfache Maniküre wird Teil meines allwöchentlichen Rituals. Mein dünner Lebensfaden wird länger: Bleib bei Danka, sei unsichtbar, sei wachsam, sei gefühllos, sei sauber.
Ich klettere von der Pritsche herunter und lasse eine noch schlafende Danka zurück, als ich auf die Latrine zusteuere. Meine Periode dauert nicht mehr so lange wie bisher, und der Blutflu ss ist nicht mehr halb so schlimm als er in Auschwitz oder selbst noch vor ein paar Monaten war: Dafür bin ich dankbar. Danka hat von Anfang an keine Periode mehr gehabt. Wie bei den meisten Mädchen und Frauen hier im Lager hat ihre gleich am Anfang aufgehört, Brüste und Zyklus ver-schwinden so schnell wie unsere Mitgefangenen. Es ist etwas im Tee; ich glaube, sie sagen Bromid dazu. Ich wei ss nicht, warum das Bromid bei mir nicht wirkt, die Auszehrung tut es aber doch. Mit schwindendem Körpergewicht wird auch die Periode weniger.
Als ich das
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