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RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

Titel: RENAS VERSPRECHEN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Kornreich Gelissen , Heather Dune Macadam
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nach irgendwelchen Leckerbissen oder nützlichen Din gen am Bo den.
    „ Rena! “ jemand ruft mich. Als ich mich umblicke, sehe ich keinen und will schon weitergehen, weil ich denke, der Wind foppt mich.
    „Rena.“ Diesmal ist es ein rauhes Flüstern. Ich starre gebannt auf das Skelett, das sich mir durch die Gitterstäbe entgegenstreckt. Dunkel erinnere ich mich an das Gesicht und suche in meinem Gedächtnis nach dem Namen, der zu den gemei ss el ten Zügen vor mir pa ss t. Es i st Ernas und Felas ältere Schwe ster.
    „ Pepka? Bist du’s? “ Ich bemühe mich, mir mein Entse tzen nicht anmerken zu lassen. „Was tust du in Block Fünfundzwanzig?“ Mich schaudert. Block Fünfundzwanzig ist der Ort, den wir um jeden Preis meiden. Keiner, der ihn betritt, kommt lebend wieder heraus. Die Men schen drinnen werden ausge hungert oder ins Gas und dann ins Krematorium gekarrt.
    Sie tut sich schwer mit dem Sprechen, doch sie schafft ein Flüstern: „Wasser.“ Ich laufe, um ihr etwas zum Trinken zu holen, und versuche dabei ihr Bild abzuschütteln. Ihr Gesicht ist eingefallen, in ihre Seele eingebrochen. Sie ist ein Schatten, hat nichts Menschliches mehr, ist nicht mehr die Pepka, die ich einmal kannte. Ich wünschte, Erna wäre noch im Lager, sie sollte erfahren, was mit ihrer Schwester ist, aber keiner kann etwas tun.
    Ich gebe ihr meinen randvoll gefüllten Becher in die knochi ge Hand. Sie trinkt gierig, kaum fähig zu schlucken. Als sie ihn mir zurückgibt, zittert ihre Hand. Sie kehrt zurück ins Dunkel, ihre Augen bitten mich, sie zu erlösen; sie schweigt.
    Ich kann nichts tun gegen die Wände, die Gitter. Ich habe kein Essen, das ich mit ihr teilen könnte, keine Arznei, ihre Krankheiten zu heilen, kein e Möglichkeit, für genügend Was ser zu sorgen, da ss sie nie wieder durstig ist, keine Möglichkeit, sie aus dem Block des Tode s herauszuholen. Sie ist verdammt, und ich bin hilflos. Pepka s Augen werden zu den Augen m ei ner Schwester Zosia. Was wäre, wenn Zosia in Block Fünf und zwanz ig wäre, würde ihr jemand mir zuliebe Was ser geb en? Würde jemand mir sagen, da ss s ie dort i s t? Was ist mit den Kindern? Wenn Zos ia in der Hölle war, waren sie dann vielleicht schon tot? Ich wünschte, es gäbe jemanden, diese Last mit mir zu teilen, doch ich mu ss diese Gedanken schnell auslöschen, ehe sie sich in meinem Kopf niederlassen und mich verrückt machen. Vielleicht s ind die Kinder in einem Waisen haus. Vielleicht schickt uns Zosia ja die Päckchen aus der Schweiz und ist in Sicherhei t. Zosia und Mama und Papa wer den in Tylicz sein, und wenn alles vorbei ist, wer den wir wie der vereint sein. Mein Geist verlangsamt seinen wirbelnden Absturz in die Verzweiflung. Zerbrechliche Hoffnung ersetzt das Verhängnis um mich herum, und das allein zählt.
     
    Selektionen finden in unregelmä ss igen Abständen statt. Man kann nicht sagen, wie oft sie stattfinden und wann wir uns zum Anwesenheitsappell aufstellen und anstatt zu arbeiten den ganzen Tag in ordentlichen Fünferreihen stehen und darauf warten, aussortiert zu werden. Für gewöhnlich ü bernimmt ein SS-Mann die Urteilsverkü ndung, während die anderen zuse hen, aber manchmal treffen auch zwei die Entscheidung. Sind sie zu zweit, müssen beide mit dem Daumen für Leben plä die ren , ansonsten bedeutet das Urteil den Tod. Es werden keine Fragen gestellt; es gibt keinen Einspruch, nur einen Daumen. Normalerweise findet eine körperliche Prüfung statt, so mu ss man, wenn der Daumen einen zum Leben bestimmt hat, über einen Graben springen, um zu beweisen, da ss man ihre Entscheidung auch rechtfertigt. Mit zitternden Knien und ohne Möglichkeit, Anlauf zu nehmen, versuchen wir das letzte Hin dernis zu neh men, das uns vom Abendessen trennt. Manchmal glaube ich, mich rettet nur die Tatsache, da ss ich mich nicht schmutzig machen will, ehe ich sterbe, un d dieser Beschlu ss trägt mich ir gendwie über den Dreck und Matsch in der Grube. Es gibt nur wenige , die nicht springen.
    Je nach Anzahl der junge n Frauen im Lager dauern die Se lektionen zwischen zehn und fünfzehn Stunden. Oh ne Es sen und Trinken stehen wir den ganzen Tag und manchmal bis in die Nacht hinein, um herauszufinden, ob wir morgen wieder aufwachen, ob wir jemals wieder etwas essen werden. Es gibt kein Henkersmahl, wie Verbrecher eins bekommen, ehe sie hingerichtet werden; wir sind weniger wert als Verbre cher. I n ihren Augen sind wir nichts - wir sind nur Unge ziefer, das ver

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