RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
gestern A bend.
„Wie geht es dir heute, Danka?“
„Besser.“ Sie trinkt gelassen ihren Tee. Ihre Augen starren auf das Szenarium um uns herum. Ein Meer jun ger Frauen, die alle Becher voll Wa sser tee halten und bedächtig das Br o t von ges tern Abend kauen, damit es lä nger anhält. Das Lager ist überfüllt. Nie habe ich so viele Frauen auf einmal gesehen; ic h verstehe nicht einmal mehr die Nummern. Der Appell dauert eine Ewigkeit .
Endlich marschieren wir mit Emma hinaus.
„ Nehmt die Waggons “ , lautet ihr erster Befehl Die Sonne durchbricht gerade den Horizont. Wo vorher Nacht gewesen war, tauchen Schatten auf. Ein goldener Glanz fä ll t auf uns. Danka und ich nehmen unsere Plätze an der Waggonseite e in und schieben den Waggon hoch zum Mä nnerkommando. Ein SS-Mann geht vorbei. So bald er uns den Rü cken zukehr t, fällt ein Stein vor meine Füss e. Ic h beuge mich lässig hinunter, kontrolliere meinen Schuh und schwinge dann eifrig meine Schaufel und helfe mit, den Sand abzuladen, den wir gestern gesiebt haben. Die Hand mit der Nachricht hält sich an der Schaufel fest. Es ist ein grö ss eres Stück Papier als das F etzelchen , das ic h ihnen geschickt habe , und es ist noch so früh, da ss ic h überlegen mu ss , was ich mit dieser Notiz den Rest des Tages anfan ge. I n mein Kleid oder in meine Hand? Die Schuhe sind für einen gan z en Arbeitstag nicht sicher genug, deshalb geht das Überlegen wei ter. I n meinen Saum o der in meine Hand? Ic h frage mich, wo ich den Zettel versteck en soll. Meine Hände sind zu warm , und die Schaufel entgleitet meinem Griff, als ich den Sand auf den wachsenden Haufen kippe. Der Waggon ist leer. Rasch ver staue ic h die Notiz im Saum meines Kleides, ohne Gelegenheit, sie zu lesen.
Es ist ein langer Tag, ein langer Appell, aber endlich kom men wir in den Block, begie riger, unseren Bri ef zu lesen als un ser Brot zu essen. Er ist lang und in gro ss er Eile geschrieben. „ Ihr habt Rohre gesehen , die nah an e u er Ar beit skommando heranrei chen. Das Zeug ist im Boden - fü nf Schritte von d en Rohren entfernt – morgen .“ I c h kann den Worten vor meinen Augen nicht glauben.
Den ganzen Tag lassen wir die Rohre nicht aus den Augen. Fünf Schritte vom Rohr entf ernt kann ich eine kleine Bodenerhebung erkennen, aber wir müssen geduldig abwarten. Als der Nachmittag schwindet, behalte ich den Himmel im Blickfeld. Unsere Zeitplanung mu ss perfekt sein. Ich nicke Danka zu. Wir graben langsam und bewegen uns dabei stückchenweise von der Gruppe weg auf die Rohre zu. Wir bohren in den Bo den, schleppen schwere Schaufeln voll Erde zu den Siebnetzen und nähern uns bei der Rückkehr jedes M al ein Stück weit den Rohren an. Es ist keine SS in der Nähe. Ich winke, und Danka gräbt eifrig um mich herum, lockert das Erdreich, während sie mich mit ihrem Körper deckt, so da ss keiner sehen kann, was ich tue. Mit ihrem Arbeitseifer zieht sie eine gute Schau ab und gibt mir die Deckung, die ich brauche, um unseren Schatz zu heben. Rasch binde ich am anderen En de der Schnur, die mei nen Becher hält, eine Flasche Tomatensaft unter meinem Kleid fest. In einem Läppchen sind eine Zitrone und zu meiner gro ss en Überraschung auch Tabletten eingewickelt.
„Sie haben uns Chinin besorgt“ , flüstere ich Danka zu. Sie gräbt tiefer in die Erde, stürzt sich in die Arbeit. Soviel hatte ich nicht erwartet, und ich habe nur den Saum meines Kleides, um etwas zu verstecken.
„ Beeil dich “ , flüstert Danka und gräbt und gräbt. Es ist sehr schwierig, die Tabletten in meinem Saum glatt zu s trei chen, so da ss die SS keine A usbuchtungen sehen kann. Ich be te, da ss keine her ausfä llt.
„ Geschafft. “ Wir graben weiter und machen das Versteck unkenntlich.
„Halt!“, schreit Emma. Vor Angst bekommen wir eine Gän sehaut. Wir hören auf und versuchen jede Spur von Angst aus unserem Gesicht zu tilgen. Wir sehen hoch zu Emma.
„Aufstellen!“, verkündet sie.
Ich werfe Danka einen Blick zu, als wir unsere letzte Schaufel voll Erde zum Siebenetz bringen und dann die Schaufeln in den Geräteschuppen stellen. Mein Herz lächelt stolz in das glänzende Gesicht meiner Schwester. Sie gibt alles, was sie zu geben vermag, und trotz ihrer Krankheit war sie heute beson ders robust.
„Hier, nimm jetzt eine.“ Ich schiebe ihr eine Tablette in die Hand.
„Marsch!“ Unsere Herzen klopfen so laut, da ss die Band hören mu ss , wie sie den Takt schlagen. Unser Glück
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