Renate Hoffmann
technischen Defekt der Telefonanlage handeln. Dem war jedoch nicht so. Erst hatte Caitlins Sekretärin, Frau Seizinger, angerufen und um die überarbeiteten Bilanzen gebeten, was Frau Hoffmann ihr sofort zusagte. Frau Hoffmann war der Ansicht gewesen, dass dieses Telefonat damit beendet war, was Frau Seizinger ganz offensichtlich nicht so sah, denn sie redete und redete ohne Punkt und Komma.
Sie sprach Frau Hoffmann ihre Bewunderung nicht nur einmal, sondern mindestens achtzehn Mal aus, sie fragte, ob Frau Hoffmann nicht eventuell daran interessiert sei, sich als Belegschaftssprecherin zur Wahl aufstellen zu lassen, sie lästerte im Flüsterton über ihre neue Vorgesetzte und erzählte aufgelöst von der Feindseligkeit, die sie seit neustem zu erdulden hatte, weil sie Caitlins Sekretärin war. Hätte Frau Hoffmann nicht nach 34 Minuten eine Ausrede erfunden, um sie loszuwerden, wäre sie vermutlich noch immer mit Frau Seizinger am Telefon.
Nachdem sie den Höher erleichtert wieder eingehängt hatte, klingelte der grüne Apparat ein zweites Mal. Seufzend nahm sie ab, um sodann zwanzig Minuten mit einer Frau Koch aus der Finanzabteilung zu telefonieren, die wissen wollte, ob Frau Hoffmann wegen ihres Auftritts im Konferenzraum schlimme Konsequenzen zu erwarten hätte. Als Frau Hoffmann das höflich verneinte, schien Frau Koch erleichtert und versicherte ihr, dass sie sich, wäre dem so gewesen für sie eingesetzt hätte, weil sie hundertprozentig hinter ihr stehe. Es war ein schönes, wenn auch befremdliches Gefühl, so etwas zu hören.
Dann, wenige Minuten nachdem sie erneut eingehängt hatte, meldete sich Frau Kleinschmidt, die Frau Hoffmann fragte, ob sie nicht Lust hätte in der Mittagspause einen Happen Essen zu gehen. Völlig entgeistert von dieser unerwarteten Einladung, sagte sie erst gar nichts. Als Frau Kleinschmidt sich für die Störung entschuldigte, was ein eindeutiges Zeichen dafür war, dass sie ihre Frage bereute, sagte Frau Hoffmann spontan zu. Sie tat es hauptsächlich deswegen, weil sie Frau Kleinschmidt nicht vor den Kopf stoßen wollte, denn Frau Hoffmann hatte die vergangenen sieben Jahre und drei Monate auch alleine gegessen und sich an dieser Tatsache nicht im Geringsten gestört. Sie hatte es eigentlich immer genossen zum Italiener an der Ecke zu gehen, sich eine Portion Pasta und ein stilles Wasser zu bestellen und die Gäste an den Nachbartischen zu beobachten. Sie hatte sich nie nach einer Begleitung gesehnt. Zumindest hatte sich ihr Bewusstsein nie nach einer Begleitung gesehnt. Und da sich Frau Hoffmann eine chronische Taubheit angeeignet hatte, was all die Sehnsüchte ihres Unterbewusstseins anbelangte, zählte ohnehin nur, was ihr Bewusstsein dachte.
Frau Hoffmann versuchte zum vierten Mal ihre Arbeit fortzusetzen, als das Telefon wieder klingelte. Völlig entnervt riss sie den Hörer von der Gabel. „Hoffmann...“, schnaubte sie in den Lautsprecher. Herr Hofer am anderen Ende räusperte sich verlegen und fragte, ob er denn stören würde. Frau Hoffmann fragte sich, warum Herr Hofer sie immer dann aufsuchte oder anrief, wenn sie sich verkehrt benahm. Dann gestand sie sich ein, dass es eigentlich anders herum war. „Nein, sie stören nicht“, sagte sie freundlich. „Was kann ich denn für sie tun?“ Herr Hofer fragte, ob Caitlin sich Frau Hoffmann gegenüber angemessen verhalte, oder ob es Anlass dazu gäbe, einzuschreiten. Frau Hoffmann sagte, dass sie Frau Connelli den gesamten Vormittag weder gehört noch gesehen hätte und versicherte ihm, dass alles bestens wäre. Herr Hofer bat Frau Hoffmann ihn in der Mittagspause aufzusuchen, weil er etwas mit ihr zu besprechen hätte. Frau Hoffmann fragte, ob es möglich wäre dieses Gespräch auf nach Feierabend zu verlegen, weil sie Frau Kleinschmidt nicht mit einer Absage vor den Kopf stoßen wolle, womit Herr Hofer gleichermaßen einverstanden war.
Und wieder versuchte Frau Hoffmann ihr Arbeitspensum für diesen Tag abzuarbeiten, was ihr Telefon dem Anschein nach nicht weiter zu interessieren schien, denn es klingelte erneut. Und weil Frau Hoffmann sich nicht sicher sein konnte, dass da am anderen Ende nicht vielleicht wieder Herr Hofer war und sie nicht schon wieder unfreundlich erscheinen wollte, nahm sie ab und verschluckte den genervten Unterton, der ihr wie ein Kloß im Halse stecken blieb. „Hoffmann...“, säuselte sie überfreundlich.
„Ich stelle sie zu Frau Connelli durch...“, sagte Frau Seizinger freundlich, dann
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