Renate Hoffmann
kommen Sie in jeder Mittagspause hierher?“, fragte Frau Kleinschmidt erstaunt.
„Ich fühle mich hier wohl...“, sagte Frau Hoffmann knapp.
Wenige Sekunden später kam ein junger braungebrannter Mann an den Tisch. Um seine schmalen Hüften hatte er eine schwarze Schürze gebunden. „Ah, Signora Hoffmann, was kann ich Ihnen bringen?“ Frau Hoffmann bat um zwei Karten, obwohl sie genau wusste, was sie bestellen würde. Der gut aussehende Kellner nickte und verschwand hinter der Bar. Kurz später kam er mit zwei Speisekarten zurück. „Wissen die Damen schon, was sie trinken wollen?“ Frau Hoffmann bestellte eine große Flasche stilles Wasser – so wie immer – Frau Kleinschmidt bestellte ein Spezi.
„Wo gehen Sie denn immer zum Essen hin?“, fragte Frau Hoffmann, nur um der Frage willen. Frau Kleinschmidt gestand, dass sie meistens in der Firmenkantine aß, was Frau Hoffmann schlichtweg nicht fassen konnte. „Aber das Essen dort ist grauenhaft... Es ist ungenießbar...“, sagte Frau Hoffmann kopfschüttelnd.
„Da haben Sie recht...“, lachte Frau Kleinschmidt, „...aber es kam mir immer komisch vor, alleine in ein Restaurant zu gehen... Ihnen nicht?“ Frau Hoffmann schüttelte den Kopf, was Frau Kleinschmidt zu beeindrucken schien. „Für mich ist alleine Essen zu gehen, wie alleine ins Kino zu gehen“, sagte Frau Kleinschmidt, während sie die Karte studierte. „Es scheint immer so, als würden einen alle Menschen seltsam mitleidig ansehen, weil man ohne Begleitung unterwegs ist.“ Frau Hoffmann wusste, was sie meinte. Sie hatte auch schon des Öfteren derartige Blicke auf sich gespürt, doch sie hatte das nie als wirklich schlimm gefunden. „Dann gehen Sie also auch alleine ins Kino?“, fragte Frau Kleinschmidt ungläubig.
Frau Hoffmann schloss die Karte. „Ich gehe eigentlich nie ins Kino...“, sagte Frau Hoffmann. Und das Wörtchen eigentlich war in diesem Zusammenhang irreführend, weil es implizierte, dass Frau Hoffmann ab und an eben doch ins Kino ging, was jedoch nicht stimmte. Frau Hoffmann ging nie ins Kino. Erstens war es ihr zu teuer und zweitens kannte oder mochte sie die meisten Schauspieler ohnehin nicht.
„Seit meiner Scheidung vor vier Jahren lebe ich ziemlich zurückgezogen“, sagte Frau Kleinschmidt. Es wunderte Frau Hoffmann, dass Frau Kleinschmidt Privates von sich preisgab, weil sie davon ausgegangen war, dieses Essen würde eine Ansammlung höflicher, jedoch vollkommen oberflächlicher Themen unter Kolleginnen. „Wir waren zehn Jahre verheiratet...“, sagte Frau Kleinschmidt, „...ich habe sehr jung geheiratet...“
Der Kellner brachte eine Flasche stilles Wasser und ein großes Glas Spezi an den Tisch. Er stellte das Glas auf einen Filzuntersetzer und schenkte Frau Hoffmann einen Schluck ein, stellte die Flasche dann an den Rand. „Wollen Sie bestellen?“, fragte er lächelnd. Frau Hoffmann bestellte die Penne mit Vierkäsesauce, Frau Kleinschmidt bestellte ein Cotoletto Bologna. Der Kellner kritzelte die Bestellung auf einen kleinen Block, nickte anerkennend und verschwand in der Küche.
„Wie alt waren Sie denn, als sie geheiratet haben...“, fragte Frau Hoffmann neugierig.
„Ich war gerade zwanzig...“
Frau Hoffmann verschluckte sich an ihrem Wasser. „Und warum haben sie so früh geheiratet?“
Frau Kleinschmidt zuckte mit den Schultern. „Ich habe ihn geliebt, denke ich...“
„Ja, aber deswegen muss man doch nicht gleich heiraten“, sagte Frau Hoffmann irritiert.
„Im Nachhinein gebe ich Ihnen recht...“, antwortete Frau Kleinschmidt seufzend. „Doch damals war ich der festen Überzeugung, dass Bernd und ich für immer zusammen bleiben würden...“ Frau Hoffmann nickte. „Ich werde kommende Woche meine Namensänderung beantragen“, sagte Frau Kleinschmidt zufrieden.
„Wie lautete denn ihr Mädchenname?“, fragte Frau Hoffmann.
„Behrens...“, sagte Frau Kleinschmidt. „Ursula Behrens...“ Frau Kleinschmidt nahm einen Schluck Spezi. „Und was ist mit Ihnen?“, fragte Frau Kleinschmidt. „Sind Sie verheiratet?“
Frau Hoffmann musste unvermittelt lachen. Die Tatsache, dass Frau Kleinschmidt sie als verheiratete Frau sehen konnte, amüsierte Frau Hoffmann. „Nein, ich bin nicht verheiratet.“
„Und waren Sie einmal verheiratet?“ Frau Hoffmann schüttelte den Kopf. Über ihr Gesicht huschte für einen winzigen Moment ein Ausdruck von Bedauern. „Wollten Sie denn gerne heiraten?“, fragte Frau Kleinschmidt, die
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