Renate Hoffmann
endlosen Gähnanfall beobachtet. Er strahlte sie an. Frau Hoffmann wusste nicht, was er wollte, deswegen schenkte sie ihm ein verunsichertes Lächeln. „Ich bin Herr Schröder“, sagte er schneidig und streckte ihr seine große Hand entgegen. Sein Händedruck war unheimlich fest. Für einen kurzen Augenblick glaubte Frau Hoffmann ihre Knochen brechen zu hören. Dann löste er seinen Griff. „Ihre Ansprache gestern hat mir wirklich imponiert“, fuhr Herr Schröder fort. „Ich glaube Sie haben uns allen aus der Seele gesprochen...“ Frau Hoffmann, die noch immer ihre schmerzende Hand rieb, lächelte und nickte. „Stimmt es, dass Frau Connelli Sie in die Personalabteilung abschieben wollte?“ Frau Hoffmann empfand es als verkehrt Caitlin schlecht zu machen, nur weil sie sie nicht mochte. „Herrn Hofers Sekretärin, ich habe leider den Namen vergessen...“
„Frau Bogner...“, fiel ihm Frau Hoffmann ins Wort.
„Ach, ja genau...“, sagte Herr Schröder nickend. „Na, auf jeden Fall hat Frau Bogner erzählt, sie hätten den Posten abgelehnt...“ Frau Hoffmann schaute Herrn Schröder lange an. „Und stimmt das denn?“, fragte er neugierig.
„Ja, das ist richtig so...“, antwortete Frau Hoffmann.
„Ich frage mich wirklich, warum wir uns nicht vorher schon einmal unterhalten haben“, sagte Herr Schröder schmierig lächelnd.
Frau Hoffmann verabscheute seine schleimige Art. Sie verabscheute generell alle Menschen, die einen nur dann kennen wollten, oder zu kennen vorgaben, wenn sie es aus irgendeinem Grund als praktisch oder nützlich erachteten, einen zu kennen. „Ich denke, das liegt daran, Herr Schröder, dass Sie in den letzten Jahren keinen besonderen Wert auf meine Gesellschaft gelegt haben...“
„Frau Hoffmann, ich bitte Sie...“, sagte er gespielt beleidigt.
„Na, dann haben Sie mich eben einfach nicht bemerkt“, entgegnete Frau Hoffmann kühl.
Herr Schröder versuchte die Tatsache, dass Frau Hoffmanns Aussage ihn peinlich berührt hatte, mit einem strahlenden Lächeln zu überspielen. Dann sagte er, „Aber Frau Hoffmann, bei so vielen Mitarbeitern ist es doch schier unmöglich, die Spreu vom Weizen zu trennen.“
Frau Hoffmann lächelte mechanisch. Nie zuvor hatte sie einen solchen Menschen kennengelernt, was sicherlich zu Teilen auch daran lag, dass Frau Hoffmann in ihrem Leben nicht viele Menschen kennengelernt hatte. Die Tatsache, in welchem Maß Herr Schröder von sich selbst eingenommen war, empfand Frau Hoffmann als äußerst abstoßend. Sie war sich sicher, dass er einer dieser schleimigen Sprücheklopfer war, die meinten mit ihrer triefenden Art die Karriereleiter schneller empor klettern zu können. Er schien irgendwo gelesen zu haben, dass es eine gute Sache war, den Namen seines Gegenübers möglichst häufig in Dialogen einzubauen. Das schien eine dieser neuartigen Kommunikationstechniken zu sein, die man Absolventen heutzutage im Studium beibrachte. Herr Schröder war einer dieser karrierefixierten Speichellecker, die vermutlich sogar dazu bereit wären, Fäkalien zu essen, sollte es sie in irgendeiner Art und Weise weiterbringen. Und dennoch konnte Frau Hoffmann nicht verstehen, warum es sie in einem solchen Maß verärgerte. Denn eigentlich spielte es keine Rolle. Es war bedeutungslos. Frau Hoffmann konnte dennoch nicht umhin sich ein wenig geschmeichelt zu fühlen, dass Herr Schröder der Auffassung war, sie, Frau Hoffmann, wäre wichtig genug, um sich bei ihr auf eine derart plumpe Art einzuschleimen. Je länger Frau Hoffmann ihn schweigend musterte, desto offensichtlich nervöser wurde er. Um seinem Leiden ein Ende zu machen, sagte sie, „Da haben Sie bestimmt recht, Herr Schröder...“ Erleichterung breitete sich in seinem kantigen Gesicht aus. „Doch ist Ihnen klar, dass Sie damit implizieren, dass ich bis vor kurzem Ihrer Meinung nach zur Spreu gehört habe?“
Seine Erleichterung wich einem kalten Schweißausbruch. „Nein, so habe ich das nicht gemeint...“, stammelte er unbeholfen.
„Ist schon gut, Herr Schröder...“, sagte Frau Hoffmann ruhig, „Die nächste Station ist unsere...“ Er schien verstanden zu haben, dass Frau Hoffmann an keiner weiteren Erklärung interessiert war und tat das, was er am besten konnte. Er lächelte.
Kapitel 30
Frau Hoffmann verstand die Welt nicht mehr. Im laufe des Vormittags klingelte ihr uralter, grüner Telefonapparat so häufig, dass sie anfangs der Überzeugung war, es müsse sich zweifelsohne um einen
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