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Renate Hoffmann

Renate Hoffmann

Titel: Renate Hoffmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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verspürte sie wieder den Drang jemanden zu berühren. Gleichzeitig war da jedoch die Leere, die Henning hinterlassen hatte, von der sie sich sicher war, dass nur er sie wieder hätte füllen können. Sie wusste nicht, ob sie sich wirklich zu Herrn Hofer hingezogen fühlte, oder ob es vielleicht doch eher die Tatsache war, dass sie zum ersten Mal wieder eine gewisse Nähe mit jemandem teilte, die dafür verantwortlich war, dass sie so empfand.
    Herr Hofer schien zu spüren, dass sie sich unwohl fühlte, denn er stand auf und schaute auf die Uhr. „Vielleicht sollte ich besser gehen...“, sagte er und schaute Frau Hoffmann fragend an. Sie schien sich nicht sicher zu sein, ob sie wollte dass er ging. Sie schien in einem Gewirr an konträren Gefühlen gefangen, die ihr auf der einen Seite zuflüsterten, dass sie ihn küssen und berühren wollte und ihr genau das auf der anderen Seite jedoch vorzuwerfen schienen. Und weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte, fragte sie Herrn Hofer, ob er nicht vielleicht Lust hätte ein Stück mit ihr spazieren zu gehen, weil es ihr weniger gefährlich erschien mit ihm unterwegs zu sein, als eng an ihn gedrückt auf dem Sofa zu sitzen, worauf Herr Hofer erleichtert nickte. Sie zogen sich an und verließen hastig die Wohnung. Es war halb elf.
     
Kapitel 81  
    Gemeinsam gingen sie den Gehweg entlang, wobei Frau Hoffmann stets darum bemüht schien einen sicheren Abstand von mindestens einem Meter nicht zu unterschreiten. Frau Hoffmann konnte sich nicht erklären, weswegen sie sich plötzlich so unbehaglich in seiner Gegenwart fühlte, wobei Unbehagen nicht das einzige Gefühl war, das sie auf diesem Spaziergang begleitete.
    Herr Hofer schien ähnlich angespannt, was Frau Hoffmann zusätzlich belastete. Seinetwegen fühlte sie sich wieder besser und der Gedanke, dass er sich ihretwegen nun unwohl fühlen könnte, betrübte sie.
    „Du, Renate, hab ich was falsch gemacht?“
    Frau Hoffmann blieb stehen und schaute Herrn Hofer an. „Du hast gar nichts falsch gemacht...“, sagte sie und legte ihre Hand auf seine Schulter. „Ich bin einfach verwirrt, das ist alles...“
    Herr Hofer lächelte sie an. „Vielleicht ist es wirklich das Beste, wenn ich dich nach Hause begleite und mich dann auf den Heimweg mache...“ Frau Hoffmann nickte erleichtert, dann machten sie kehrt und gingen in Richtung der trostlosen Plattenbauten zurück.
    Als sie vor Frau Hoffmanns Wohnung standen, schien die Luft wieder zu knistern. Sie fühlte sich Henning gegenüber auf eine unerklärliche Art schuldig, so als hinterginge sie ihn. Vielleicht war das damit verbunden, dass sie sich bisher nur zu ihm in diesem Maße hingezogen gefühlt hatte, wobei sie sich noch immer nicht ganz sicher war, ob sie sich tatsächlich von Herrn Hofer oder lediglich von seiner Präsenz angezogen fühlte.
    Sie schaute Herrn Hofer nach bis die Dunkelheit ihn verschluckte. Ihn gehen zu sehen machte sie auf der einen Seite unheimlich traurig, andererseits fühlte sie sich erleichtert, als sie hörte, wie die Aufzugtüren sich hinter ihm schlossen.
    Frau Hoffmann stand im Bad und gurgelte. Ihre Augen waren noch immer rot, doch sie fühlte sich besser. Für einen kurzen Moment dachte sie an den Balkon und die Tatsache, dass sie bis vor ein paar Tagen ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hatte, sich umzubringen und bei diesem Gedanken wurde ihr klar, dass sie viel zu sehr am Leben hing, um es sich zu nehmen. Natürlich wäre sie in diesem Augenblick am liebsten mit Henning in der Metzstraße, und würde dort in ihrem Bad mit ihm Zähne putzte, doch die Erkenntnis schien sich langsam in Frau Hoffmanns Verstand zu setzen, dass sie Henning nie wieder sehen würde, egal wie sehr sie sich das auch wünschen mochte. Henning war gestorben. Und er war zumindest teilweise selbst daran schuld gewesen. Und doch schien die Wut langsam abzuklingen, vielleicht, weil sie sich ihrer nicht länger schämte. Sie hatte ein recht darauf wütend zu sein, auch wenn ihre Wut nichts an den Fakten ändern konnte.
    Nach exakt dreißig Sekunden spuckte sie die antibakterielle Spülung ins Waschbecken, spülte Wasser mach, um der Fleckenbildung vorzubeugen und verließ das Bad. In Gedanken erlebte sie die vergangenen Stunden mit Herrn Hofer. Sie versuchte zu verstehen, warum er seine Zeit mit ihr verschwendete, denn Herr Hofer hätte mit seinem guten Aussehen problemlos aus einer Schar williger und ebenso gut aussehender Frauen auswählen können.
    Frau Hoffmann

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